Makro Research mit Dr. Ulrich Kater | Erfreuliche Jahresbilanz am Kapitalmarkt
Das Jahr 2025 nähert sich seinem Ende. Es wird das dritte erfolgreiche Wertpapierjahr in Folge gewesen sein. Für die positive Entwicklung gibt es gute Gründe: Die globale Wirtschaftsleistung stieg um gut 3 %, und die Notenbanken reduzierten ihre Leitzinsen in Richtung der neutralen Werte. Aber es war nicht nur ein erfolgreiches, sondern auch ein anstrengendes Jahr für die Weltwirtschaft, mit den gestiegenen US-Zöllen, den geopolitischen Unwägbarkeiten und den strukturellen Anpassungen hinsichtlich des technologischen, des demografischen und des klimatischen Wandels. Doch die Unternehmen konnten die bisherigen Veränderungen weitgehend gut bewältigen, sie haben sich als flexibel und widerstandfähig erwiesen. All das haben die Aktien- und die Rentenmärkte widergespiegelt, und breit gestreute Wertpapierportfolios dürften abermals eine erfreuliche Jahresbilanz verzeichnen.
Wie geht es nun weiter? Die berechtigte Frage am Übergang zum Jahr 2026 lautet, ob ein viertes erfreuliches Anlagejahr folgen kann. Wir beantworten diese Frage mit einem „Ja". Denn für die Jahre 2026 und 2027 erwarten wir für die Weltwirtschaft ähnliche Wachstumsraten wie im Jahr 2025. Die Inflationsraten bewegen sich in vielen Ländern, vor allem auch in Euroland, weitestgehend im Bereich der Notenbankziele. Daher kann die neutrale Geldpolitik weitergeführt werden, sodass von dieser Seite keine Bremseffekte zu erwarten sind. Auch bei den Anleiherenditen drohen keine heftigen Anstiege. Es ist also mit realwirtschaftlicher und monetärer Stabilität zu rechnen. Vor diesem Hintergrund dürften die Aktien- und die Rentenmärkte auch im neuen Jahr fundamental gerechtfertigte positive reale Gesamterträge erwirtschaften.
Aber an den Kapitalmärkten gibt es niemals einen Freibrief auf die Zukunft. Hinsichtlich der Risikothemen sind die US-Zölle und die Staatsverschuldung altbekannt. Als neues Risiko kommt der Wechsel an der Spitze der US-Notenbank Fed im Mai hinzu, der mit einer stärkeren politischen Einflussnahme auf die Geldpolitik einhergehen könnte. Überdies wird in den nächsten Quartalen klarer erkennbar sein, ob die Investitionen in die Künstliche Intelligenz in ihrer positiven Wirkung richtig eingeschätzt werden oder ob die bisherigen Erwartungen an die neue Technologie doch überzogen sind. Das alles bietet bei aller Zuversicht durchaus auch Raum für Marktschwankungen, mit denen Anlegerinnen und Anleger jederzeit rechnen sollten.
Konjunktur Industrieländer
Deutschland
Es kehrt Ernüchterung ein. Nach einer Hoffnungswelle im Sommerhalbjahr beginnen die Stimmungsindikatoren wieder nach unten zu drehen. Es ist eine Mischung aus enttäuschten Hoffnungen auf Reformen und schwächeren Konjunkturnachrichten. So kommt der Konsum angesichts vieler Negativmeldungen zum Beschäftigungsabbau und wegen des hohen Preisniveaus nicht in Fahrt. Das Weihnachtsgeschäft dürfte hinter den Erwartungen bleiben. Insgesamt ist im Schlussquartal alles, was mehr als Stagnation ist, schon ein Erfolg. Im kommenden Jahr ist dank eines positiven Arbeitstageeffekts und der Schubwirkung der Sondervermögen ein gesamtwirtschaftliches Wachstum von immerhin wieder 0,9 % erreichbar.
Prognoserevision: Aufwärtsrevision der Inflationsrate für 2025.
Euroland
Im vierten Quartal 2025 dürfte Euroland (EWU) auf Wachstumskurs bleiben. Dies deuten die Frühindikatoren für Oktober und November an. Mit einer spürbaren Zunahme der Wachstumsdynamik ist aber nicht zu rechnen. Dennoch lässt die konjunkturelle Entwicklung wenig Besorgnis mit Blick auf den Arbeitsmarkt zu. Die Enge am europäischen Arbeitsmarkt wird auch durch die demografische Entwicklung unterstützt. Im Oktober lag die EWU-Arbeitslosenquote mit 6,4 % nur leicht über dem Allzeittief von 6,2 %. Unter den vier EWU-Schwergewichten variiert die Arbeitslosenquote allerdings beträchtlich. Die niedrigste Arbeitslosenquote in dieser Gruppe weist Deutschland mit 3,8 % aus. Die höchste Arbeitslosenquote gibt es in Spanien mit 10,5 %. Dazwischen liegen Italien (6,0 %) und Frankreich (7,7 %).
USA
Erst Mitte November konnte im Kongress eine Einigung zum Haushalt für das Fiskaljahr 2026 erreicht werden. Der bis dato längste US-Regierungsstillstand hat weiterhin Nachwirkungen, denn die makroökonomischen Datenveröffentlichungen finden mit großer Zeitverzögerung statt. So wurde erst in der dritten Novemberwoche der Arbeitsmarktbericht für September veröffentlicht. Dieser enthielt sowohl einen überraschend hohen Beschäftigungsaufbau als auch einen Anstieg der Arbeitslosenquote. Das Bruttoinlandsprodukt für das dritte Quartal wird erst kurz vor Weihnachten veröffentlicht. Die vorliegenden Makrodaten, insbesondere aus dem Bereich der Stimmungsindikatoren, deuten an, dass sich die zollbedingte Verunsicherung der Unternehmen langsam verringert. Im Gegensatz hierzu haben sich die Stimmungsindikatoren der privaten Haushalte im November gegenüber dem Vormonat verschlechtert.
Märkte Industrieländer
Europäische Zentralbank / Geldmarkt
Bei ihrer Ratssitzung am 18. Dezember dürfte die EZB die Leitzinsen erneut unverändert lassen. Die neuen makroökonomischen Projektionen, die erstmals bis in das Jahr 2028 reichen, und die begleitenden Kommentare könnten aber mehr Aufschluss geben, wie hoch die Hürden für einen weiteren Zinsschritt sind. Während die Verschiebung der zweiten Stufe des Emissionshandels ETS2 einen dämpfenden Effekt auf die Inflationsraten ab 2027 haben dürfte, rechnen wir mit einer leichten Aufwärtsrevision beim vorhergesagten Pfad der Kerninflation. In der Summe könnte sich eine Unterschreitung des Inflationsziels ergeben, die zwar einige Zeit andauert, im Ausmaß aber nicht groß ist. Die meisten Mitglieder des EZB-Rats dürften bereit sein, eine solche Entwicklung bei unveränderten Leitzinsen zu tolerieren. Dennoch werden sie sich auch bei der bevorstehenden Sitzung eine Hintertür für eventuelle weitere Senkungen offen halten. Sie dürften darin jedoch lediglich eine Option für den Fall sehen, dass sich das wirtschaftliche Umfeld unerwartet verschlechtert.
Rentenmarkt Euroland
Die Marktteilnehmer sehen nur noch eine kleine Restwahrscheinlichkeit dafür, dass die EZB die Leitzinsen weiter senken wird. Dieser Zustand sollte bis auf Weiteres bestehen bleiben und einem deutlichen Anstieg der Renditen kurzlaufender Bundesanleihen entgegenwirken. Das lange Ende wird belastet durch die Ausgabenpläne der Bundesregierung sowie die möglicherweise abnehmende Nachfrage niederländischer Pensionskassen nach Staatsanleihen mit sehr langen Laufzeiten. Dennoch stößt die Steilheit der Bundkurve an ihre Grenzen, denn unter der Prämisse, dass das kurze Ende fest verankert bleibt, erzielen langlaufende Bundesanleihen einen signifikanten Mehrertrag. Bei stabilen Inflations- und Leitzinserwartungen sollte der immer noch hohe Anlagebedarf daher mit der Zeit zu einem leichten Rückgang der Renditen am langen Ende führen.
Devisenmarkt: EUR – USD
Nach dem Ende des „Government Shutdown" in den USA Mitte November und infolge der dovishen Kommunikation der US-Notenbanker, die eine Leitzinssenkung im Dezember andeutet, haben die Zinssenkungserwartungen an die Fed zugenommen. Dies hat den US-Dollar belastet, Anfang Dezember stieg der Wechselkurs auf 1,16 USD je EUR. In den USA werden die Meldungen der Makro-Daten verzögert nachgeholt. So wird der Wechselkurs im Dezember eine Menge an US-Nachrichten verarbeiten müssen: Zwei Arbeitsmarktberichte, Inflationsdaten, das BIP für das dritte Quartal, den Zinsentscheid der Fed, und zudem die Bekanntgabe des Nachfolgers des Fed-Chefs Powell, dessen Amtszeit im Mai 2026 endet. Somit steht der EUR-USD-Wechselkurs auch zum Jahresende unter großem Einfluss der US-Themen, wie es bereits das gesamte Jahr 2025 der Fall war.
Aktienmarkt Deutschland
Der DAX legte 2025 einen fulminanten Jahresstart hin, handelt aber seit Mai in einer vergleichsweise engen Handelsspanne seitwärts. Damit blickt der DAX zwar absolut auf ein gutes Jahr zurück, doch enttäuschte die Performance in den letzten sechs Monaten, insbesondere mit Blick auf die kräftigen Kursgewinne an den internationalen Aktienmärkten. Entscheidend hierfür ist auf Einzeltitelebene die Schwäche von drei prominenten DAX-Aktien aus den Bereichen Software, Rüstung und Telekommunikation, die in diesem Zeitraum jeweils ~20 % verloren haben. Zentrale Gründe für die Underperformance deutscher Aktien bleiben die enttäuschten Hoffnungen der Anleger auf fiskal- und wirtschaftspolitische Reformen. Zudem gibt es wenig KI-Phantasie bei den großen deutschen Unternehmen. Die Hürde für positive Überraschungen durch etwaige Reformen oder Fiskalimpulse ist damit deutlich gesunken und könnte 2026 übersprungen werden. Damit sind die Aussichten für deutsche Aktien positiv.
Prognoserevision: Aufwärtsrevision der 3-Monats-Prognose.
Unternehmensanleihemarkt Euroland
Der November war einer der stärksten Neuemissionsmonate für Unternehmensanleihen seit einigen Jahren. Besonders wurde die Flut durch Multi-Milliarden Tranchen von z. B. Alphabet oder Brystol Meyers getragen, sogenannte „Reverse-Yankees", die wegen der vergleichsweise günstigen Finanzierungskosten oder aus Gründen der Diversifikation auf unseren Markt strömen. Es gab aber auch mehrere milliardenschwere europäische Emittenten, wie Orange oder Novo Nordisk. Zwar sind diese Bonds überwiegend auf eine überwältigende Nachfrage gestoßen und konnten sich teils sogar deutlich im Spread verringern, doch hat der Sekundärmarkt unter der großen Emissionsflut gelitten. Während sich der iTraxx im November sogar etwas einengte, haben sich Indizes für Kassabonds leicht ausgeweitet. Insgesamt halten sich Corporates aber sehr gut.
Emerging Markets
Märkte
Die Rallye bei Schwellenländeraktien, die Mitte des Jahres begonnen hatte, ist vorerst gestoppt, und der Markt hat etwas korrigiert. EM-Lokalwährungsanleihen haben ihren Aufwärtstrend dagegen fortgesetzt, während EM-Hartwährungsanleihen auf hohen Kursniveaus konsolidierten. Unterstützung erhielten die Märkte zuletzt vor allem vom Ausblick für den weiteren Leitzinskurs der US-Fed. Hier zeichnet sich ab, dass sich eine Mehrheit für eine Zinssenkung im Dezember aussprechen wird. Der Preisdruck ist in vielen Schwellenländern moderat, und der jüngste Abwärtstrend bei den Energiepreisen gibt den Notenbanken tendenziell mehr Spielraum, die Geldpolitik expansiver auszurichten, wenngleich von diesem Spielraum nur zögerlich Gebrauch gemacht wird. Der Druck auf Zinssenkungen in den expansiven Bereich ist gering, weil sich die Konjunktur in den meisten Schwellenländern weitgehend solide entwickelt. Die asiatischen Aktienmärkte profitieren zudem von der Hoffnung auf starke Nachfrage nach allen Produkten in Zusammenhang mit der verstärkten Anwendung von künstlicher Intelligenz.
Szenarien
Basisszenario (Wahrscheinlichkeit: 80 %)
Ausgelöst durch die geopolitischen, technologischen und demografischen Veränderungen durchläuft die Weltwirtschaft einen tiefen strukturellen Wandel. Dennoch bleibt das globale Wachstum bis 2027 bei rund 3 % pro Jahr.
Erratische Politik der US-Regierung mit Zollerhöhungen und Begrenzung der Migration bremst US-Konjunktur.
Geplante umfangreiche Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur stärken in Deutschland den konjunkturellen Aufschwung. Euroland-Konjunktur profitiert ebenfalls von höheren Ausgaben für Verteidigung.
EZB hält Leitzinsen konstant auf neutralem Niveau. US-Notenbank Fed erreicht im Jahr 2026 das neutrale Niveau von gut 3 %. Notenbanken achten darauf, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen im Zielbereich von 2 % verankert bleiben.
Lockerung der Geldpolitik stützt Konjunktur und Kapitalmärkte. Fiskalpolitik bleibt angesichts struktureller Herausforderungen global eher expansiv. Allgemein ist ein Trend zu höherer Staatsverschuldung zu beobachten.
In China begrenzen der Zollstreit mit den USA, die zunehmende staatliche Regulierung und die Korrektur im Immobiliensektor das Wachstum.
Große handelspolitische Unsicherheit kann jederzeit für erhöhte Schwankungen an den Märkten sorgen.
Aktienmärkte bewegen sich moderat aufwärts mit hohen Schwankungen. Sie profitieren vom globalen Wachstum und vom Umbau der Wirtschaft mit Blick auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie von höheren Rüstungsausgaben.
Zinsen dürften tendenziell Inflationsraten nur knapp übertreffen. Kaufkrafterhalt der Geldanlagen funktioniert am besten über breit gestreute Wertpapieranlagen, allerdings unter Inkaufnahme von Wertschwankungen.
Negativszenario (Wahrscheinlichkeit: 10 %)
Einführung massiver Handelsbeschränkungen durch die USA und entsprechende Gegenreaktionen führen zu einem Handelskrieg u. a. mit China, der auch Europa erfasst und das globale Wachstum empfindlich bremst.
Politisierung wichtiger US-Institutionen wie der Notenbank Fed führen zu starker Verunsicherung und Vertrauensverlust an den Märkten.
Stark steigende Staatsverschuldung löst eine Schuldenkrise aus und birgt das Risiko einer umfassenden Finanzkrise.
Deutlich höhere Inflationsraten aufgrund von umfassenden protektionistischen Maßnahmen oder von spürbar steigenden Staatsschulden lösen Lohn-Preis-Spirale aus. Notenbanken sehen sich dadurch zu einer nochmaligen Straffung der Geldpolitik gezwungen, die zu einer massiven Rezession führt.
Dramatische Eskalation des Russland-Ukraine-Kriegs oder des militärischen Konflikts im Nahen Osten mit Ausweitung auf weitere Länder. Infrastruktur-Sabotage als Mittel der unkonventionellen Kriegsführung. Deutlich verschärfte Konfrontation zwischen zwei Blöcken mit den USA und China als Leitmächten bzw. die Verschiebung globaler politischer Gewichte zugunsten autoritärer Regimes verringert positive Wachstumswirkungen der Globalisierung.
Positivszenarien (Wahrscheinlichkeit: 10 %)
Einfrieren der geo- und handelspolitischen Konflikte führt zu zügiger Beruhigung von Wirtschaft und Finanzmärkten.
Eine beherzte Konsolidierung der öffentlichen Staatshaushalte sowie durchgreifende Strukturreformen stärken das globale Wachstum.
Digitale Technologien führen zu kräftigen Produktivitätssteigerungen und wirken damit als Gewinntreiber für die Unternehmen mit der Folge spürbar steigender Aktienkurse und Investitionen.
Überraschend starke Wachstumsdynamik in den Emerging Markets mit Schubwirkung für globale Wirtschaft.
