Kolumne Dr. Bernhard Jünemann |
Trau, schau, wem – erst recht an der Börse

Wer sich in diesen Tagen in den sozialen Medien umschaut, zum Beispiel auf YouTube, muss einfach Angst bekommen. Überall wird vor der Blase am Aktienmarkt gewarnt und der bevorstehende Crash vorhergesagt. Manche Experten empfehlen alle Anlagen zu verkaufen und auf Bargeld zu setzen. Und was machen die Kurse? Sie korrigieren, mal mehr, mal weniger, und steigen dann wieder. Das erinnert mich an den alten Börsenspruch: Kurse klettern an einer Wand von Angst.

Entwarnung? So einfach ist es nicht. Es gibt Warnsignale. Die zu analysieren ist immer wichtig. Entscheidend aber ist, was da zusammenkommt, um eine Panik auszulösen, einen massiven Vertrauensverlust, die dann eine sich verstärkende Abwärtsbewegung in Gang setzt. Manchmal fangen sich die Kurse schnell wieder, manchmal ist eine längere Baisse die Folge.

In meiner Journalistenkarriere, wenn ich das so mal nennen darf, habe ich viele Crashs erlebt, aber mit unterschiedlichen Elementen. 1987 war es eine Mischung aus Inflationssorgen, Handelsdefizit und schwachem Dollar in den USA in Verbindung mit automatisierten Handelssystemen. Die Asienkrise 1997 wurde durch hohe Auslandschulden und durch spekulative Kapitalzuflüsse in den sogenannten Tigerstaaten verursacht. Die Russlandkrise 1998 war eine Spätfolge der Asienkrise und führte zur Zahlungsunfähigkeit des Landes. Die Internetblase, die 2000 platzte, weil viele der hochgelobten Start-ups verschuldet waren und keine Aussicht auf Gewinne liefern konnten. 2007/2008 war es schließlich die amerikanische Immobilienkrise, in der hochriskante Subprime-Kredite nicht mehr bedient werden konnten.

Allen Krisen ist eins gemeinsam: Die Kurse an den Börsen müssen vorher massiv gestiegen sein, weit über das Maß, was mit der Leistung der Volkswirtschaften gerechtfertigt erscheint. Dieser Faktor ist nun wieder erfüllt. Blicken wir auf Amerika. Der S&P 500 ist in den letzten fünf Jahren von 4000 auf 7000 Punkte, also um 75 Prozent gestiegen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis rangiert jetzt bei fast 25, weit über dem langjährigen Durchschnitt von 16. Treiber in den letzten Jahren war das Thema „Künstliche Intelligenz". Das Kürzel KI gilt als Gamechanger der Wirtschaft, das phantastische Gewinne verspricht. Kein Wunder, dass viele Firmen darin massiv investieren. Nur echte Gewinne sind noch nicht sichtbar. Deshalb wird die KI-Blase oft mit dem Internetcrash 2000 verglichen. Der Unterschied zu damals ist jedoch, dass die Firmen, die in KI investieren, gut verdienende Tech-Konzerne sind wie Microsoft, Alphabet oder Amazon. Sie können die Schulden, die sie für KI aufnehmen, gut stemmen. Das war im Jahr 2000 anders. Damals verschuldeten sich Unternehmen, die keine Gewinne erzielten.

Das mag man als teilweise Entwarnung werten. Aber gleichzeitig ist zu beachten, dass die US-Wirtschaft ins Stottern gerät, dass unter Trump die Staatsverschuldung massiv gestiegen ist und schon darüber spekuliert wird, ob das Land seine Anleihen bedienen kann. Sind Kryptowährungen ein möglicher Crash-Auslöser? In der Tat korrigieren diese Digitalwährungen zurzeit heftig. Aber Rückschläge von 60 bis 70 Prozent sind für Bitcoin & Co, die keine echte Substanz als Grundlage haben, normal. In der Realwirtschaft werden diese Schwankungen kaum zur Kenntnis genommen. Nur wie immer kann eine Serie von Pleiten Auswirkungen in der Realwirtschaft haben.

Wir könnten das Pro & Contra nun munter fortsetzen. Gründe für Sorge, vor allem die hohe Bewertung, gibt es zur Genüge. Aber auch hohe Bewertungen können durch eine Serie von Korrekturen abgebaut werden, ohne dass es zu einem Crash kommt.

Die beste Resilienz bietet immer noch eine breite Diversifikation, zum Beispiel mit ETFs unterschiedlicher Anlageklassen, und Geduld.

Dennoch: Trauen sollten Anlegerinnen und Anleger der Börse nie. Die beste Resilienz bietet immer noch eine breite Diversifikation, zum Beispiel mit ETFs unterschiedlicher Anlageklassen, und Geduld. So lassen sich Crashs überstehen. Immerhin bügelten die meisten großen Indizes Verluste nach zwei bis drei Jahren wieder aus. Einseitigkeit jedoch, ob bei einzelnen Aktien oder Ländern, kann gefährlich sein. So stürzte der Nikkei in Japan 1990 ab, das Land versank in Deflation. Danach brauchte die Börse sage und schreibe 25 Jahre, um wieder in die Gewinnzone zu kommen.

Disclaimer

Diese Darstellungen inklusive Einschätzungen wurden nur zum Zwecke der Information des jeweiligen Empfängers erstellt. Die Informationen stellen weder ein Angebot, eine Einladung zur Zeichnung oder zum Erwerb von Finanzinstrumenten noch eine Empfehlung zum Erwerb dar. Die Informationen oder Dokumente sind nicht als Grundlage für irgendeine vertragliche oder anderweitige Verpflichtung gedacht, noch ersetzen sie eine (Rechts- und / oder Steuer-) Beratung; auch die Übersendung dieser stellt keine derartige beschriebene Beratung dar. Die hier abgegebenen Einschätzungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen getroffen und stammen (teilweise) aus von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen. Eine Haftung für die Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit der gemachten Angaben und Einschätzungen, einschließlich der rechtlichen Ausführungen, ist ausgeschlossen. Die enthaltenen Meinungsaussagen geben unsere aktuelle Einschätzung zum Zeitpunkt der Erstellung wieder. Die Einschätzung kann sich jederzeit ohne Ankündigung ändern. Jeder Empfänger sollte eine eigene unabhängige Beurteilung, eine eigene Einschätzung und Entscheidung vornehmen. Insbesondere wird jeder Empfänger aufgefordert, eine unabhängige Prüfung vorzunehmen und / oder sich unabhängig fachlich beraten zu lassen und seine eigenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf wirtschaftliche Vorteile und Risiken unter Berücksichtigung der rechtlichen, regulatorischen, finanziellen, steuerlichen und bilanziellen Aspekte zu ziehen. Sollten Kurse / Preise genannt sein, sind diese freibleibend und dienen nicht als Indikation handelbarer Kurse / Preise.

ETF Wertarbeit

Das monatliche Wissens-Update

Jetzt für Newsletter anmelden
angle-up