Interview mit Gabriele Widmann |
„Frauen agieren besonnener als Männer“

Gabriele Widmann ist Volkswirtin bei der Deka und befasst sich unter anderem mit Finanzbildung für Frauen. Sie fordert, dass sich Frauen stärker um ihr Geld kümmern sollten, und erläutert, was ihnen ETFs bieten.

Früher galten Frauen, die sich aktiv um Finanzen kümmern, als Randerscheinung. Hat sich das geändert?

Ja, eindeutig. Ich bearbeite das Thema „Female Finance" seit fast zwanzig Jahren, mache Veranstaltungen mit Frauen, biete einen regelmäßigen Podcast. In der Zeit ist wirklich viel passiert. Frauen reden mehr über Geld, beschäftigen sich stärker mit Finanzen. Das heißt aber nicht, dass das schon ausreicht. Es besteht weiterhin Aufholbedarf.

Haben Frauen die gleichen Bedürfnisse wie Männer beim Thema Geldanlage?

Im Prinzip ja. Es wird zwar immer gerne diskutiert, ob Frauen andere Anlageprodukte als Männer benötigen. Ich denke, nein. Aber ihre finanzielle Situation ist oft anders als die der Männer. Sie haben weniger Einkommen zur Verfügung, weil sie öfter in Teilzeit arbeiten oder mehr berufliche Auszeiten nehmen, um sich um die Erziehung der Kinder zu kümmern oder die Eltern zu pflegen. Da ist es umso wichtiger, dass Frauen für sich Geld anlegen, und zwar passend für ihre eigenen Bedürfnisse, um eine vernünftige Kombination aus Rendite und Risiko zu haben.

In einer Familie geht es oft um das Gesamteinkommen. Überlassen Frauen das den Männern?

Nicht unbedingt. Ich treffe Frauen auf meinen Veranstaltungen, die sagen: „Ich bin die Finanzministerin in meiner Familie." Aber häufiger höre ich auch: „Sie haben mich wachgerüttelt. Ich muss mich mehr um meine Finanzen kümmern." Das kann beispielsweise bedeuten, ein eigenes Girokonto und ein Wertpapierdepot für sich auf den eigenen Namen zu haben, um eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit zu sichern.

Welche Fragen werden an Sie herangetragen? Entweder von Hörerinnen Ihrer Podcasts oder auf den Veranstaltungen?

Viele Fragen kommen von Hörerinnen, aber auch von Männern, die sich auf ganz praktische Dinge beziehen. Wie schaffe ich es überhaupt, Geld für mich beiseite zu legen? Wie eröffne ich ein eigenes Wertpapierdepot? Dann geht es um die Auswahl von Wertpapieren, angesichts einer unübersichtlichen Flut von Finanzprodukten: einzelne Aktien, aktiv gemanagte Fonds oder ETFs. Obwohl es in Deutschland schon seit dem Jahr 2000 ETFs gibt, haben erst in den vergangenen Jahren die Fragen nach diesen Produkten zugenommen.

Sie beobachten die sozialen Medien mit den vielen Influencerinnen und Influencern. Wie reagieren die Frauen darauf? Springen sie auf den heißen Tipp?

Bei den Influencerinnen und Influencern würde ich zwei Kategorien unterscheiden. Die eine Gruppe konzentriert sich auf Einzelwerte und gibt dort Tipps für besonders aussichtsreiche Anlageprodukte. Da sage ich ganz klar: Achtung! Es gibt kein Produkt, das alle glücklich macht. Jede Anlegerin und jeder Anleger muss prüfen, ob ein Produkt wirklich individuell passt. Die andere Gruppe liefert tatsächlich Grundlageninformationen, also echte gute Finanzbildung. Da werden Zusammenhänge und Hintergründe von Finanzanlagen erläutert, und da wird auch erklärt, warum es wichtig ist, beim langfristigen Vermögensaufbau strukturiert vorzugehen, gelassen zu bleiben, und vor allem regelmäßig zu investieren. Diese Influencerinnen und Influencer tragen aus meiner Sicht dazu bei, dass Frauen und Männer besser informiert werden zu Finanzthemen.

Gabriele Widmann, Volkswirtin bei der Deka
Frauen legen tendenziell in schwankungsärmere Anlagen an, und sie haben die längere Frist im Blick.
Gabriele Widmann
Volkswirtin bei der Deka

Welche Instrumente bevorzugen Frauen? Eher die sicheren? Ich kenne auch Frauen, die sich auf Kryptowährungen stürzen.

Also ich billige jedem Menschen zu, dass er auch mal mit spekulativen Instrumenten – und da zähle ich Kryptoanlagen wie Bitcoin auf jeden Fall dazu – ein bisschen spielt. Das machen aus meiner Erfahrung Frauen wie Männer. Aber bitte nur mit dem Geld, das man nicht unbedingt braucht. Nach meinen Erfahrungen agieren Frauen bei der Geldanlage oft besonnener als Männer, die tendenziell eher auf die berühmten „Geheimtipps" abfahren, die nicht selten schnell zu Verlustbringern werden. Frauen legen tendenziell in schwankungsärmere Anlagen an, und sie haben die längere Frist im Blick, auch weil sie oft weniger Geld zur Verfügung haben. Da kommen vor allem breit gestreute Wertpapierfonds, sowohl aktiv gemanagte Fonds als auch ETFs, in den Blick. Lange Zeit wurden ETFs in Banken und Sparkassen nicht aktiv beraten. Das hat sich inzwischen geändert.

Wie lassen die sich in eine Strategie einbetten?

Da gilt der Grundsatz: Auf die Mischung kommt es an. Aus meiner Sicht sollte ein gut strukturiertes Geldanlage-Portfolio sowohl ETFs als auch aktiv gemanagte Fonds enthalten. Ich werde oft gefragt, was besser ist, ETFs oder aktiv gemanagte Fonds. Ich sage dann, dass jede Frau selbst entscheiden muss, was zu ihr passt.

Wie halten es Frauen mit der Nachhaltigkeit?

Frauen sind meiner Erfahrung zufolge insgesamt stärker am Nachhaltigkeitsthema interessiert als Männer. Von Frauen bin ich früher viel mehr zu dem Thema gefragt worden als von Männern. Das passt ja auch grundsätzlich zu ihrer längerfristigen Orientierung. Das hat sich aber insofern geändert, als Nachhaltigkeit in der Diskussion um Geldanlagen nicht mehr eine so große Rolle spielt wie noch vor einigen Jahren. Das mag mit dem politischen Umfeld zu tun haben. In den USA, aber auch bei uns, wird in bestimmten politischen Kreisen gegen das Nachhaltigkeitsthema gewettert. Doch unabhängig von dieser politischen Entwicklung bleibt die Bedeutung von Umwelt, sozialen Themen und guter Unternehmensführung wichtig, auch bei der Geldanlage.

Ich bin sicher: Auf jeder Ihrer Veranstaltung wird auch danach gefragt, wie sich die Börsen weiter entwickeln werden. Was sagen Sie bezogen auf die Aussichten 2026?

Es gibt gefühlt sehr viel Unsicherheit. Was aber kaum jemandem bewusst ist: Derzeit befinden sich viele ökonomische Größen im Gleichgewicht, beispielsweise das globale Wachstum, die Inflation oder die Leitzinsen in Euroland. Das macht die Wirtschaft und die Märkte robuster gegenüber kurzfristigen Störungen. Zugegebenermaßen sind am Aktienmarkt die Tech-Werte recht hoch bewertet, aber darin steckt nach meiner Meinung auch die berechtigte Hoffnung auf weitere deutliche Gewinnsteigerungen in der Zukunft. Deshalb bin ich gelassen-optimistisch für das Börsenjahr 2026.

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