Kolumne Dr. Bernhard Jünemann | Die Weisheit der Muppets
Ich muss gestehen, dass ich gerne Late-Night-Shows aus den USA sehe, um wenigstens über die Irrungen und Wirrungen von Donald Trump herzlich lachen zu können. Besonders wild ging es Anfang April zu, nachdem der Präsident den „Tag der Befreiung" ausrief und seine irren Zollpläne dazu anpries. Die Börsen reagierten sauer. Dow Jones und S&P 500 verloren bis zu zwölf Prozent.
Trump konnte diese Reaktion überhaupt nicht verstehen. Man solle nicht ängstlich sein, sondern ihm nur vertrauen. Er wisse schließlich, wie man Amerika wieder großartig mache. John Oliver hatte in seiner Show Zweifel und zog die Muppets heran – mit einem Clip aus dem Jahre 1987 nach dem großen Crash. Kermit und Jog-Bear erklärten, was in einem Bärenmarkt passiert.
Für mich war das ein echtes Deja-vu. Denn ich saß als junger Journalist in dieser Sendung „Nightline" mit Ted Koppel und diskutierte mit Nobelpreisträgern, dem Publikum und den Muppets, über das Rätsel der Börse. Kurz vor dem Crash Ende Oktober 1987 waren wir mit der „Tele-Börse" auf Sendung gegangen.
Nach fast 40 Jahren ist die Börse immer noch ein Rätsel für mich geblieben. Gut, plausibel klingende Erklärungen gab es immer wieder. Doch ob sie die wirklichen Beweggründe für die Kursbewegungen waren, blieb weitgehend im Dunkeln. Dazu muss man sich nur klar machen, was an der Börse alles wirksam werden kann: Daten zur Wirtschaftsentwicklung, Gewinne oder Verluste von Unternehmen, bahnbrechende Innovationen, steigende oder sinkende Leitzinsen und schließlich die Psychologie der Anlegerinnen und Anleger mit Gier und Angst.
Ernüchternd war deshalb die Bilanz der Prognosen. Wenn es hochkam, so zeigten Untersuchungen immer wieder, betrug die Trefferquote im Durchschnitt 50 Prozent. Die Hälfte war richtig, die Hälfte falsch. Man musste nur auf die richtige setzen. Dabei war die Trefferquote der sogenannten Profis meist deutlich unter 50 Prozent.
Und heute? Die Börse gibt wieder Rätsel auf. Nach dem Sturz der Märkte im April gewährte Trump eine Schonfrist von 90 Tagen und nährte die Hoffnung, er werde für Amerika profitable Deals aushandeln. Von steigenden Preisen in den USA durch die Zölle war kurzfristig noch nichts zu merken. Die Börsen beruhigten sich, setzten auf baldige Zinssenkungen und marschierten aufwärts. Erste Schwächezeichen der Wirtschaft, steigende Arbeitslosenzahlen, eine explodierende Staatsverschuldung wurden ignoriert. Amerika feierte wieder, und die anderen Börsen feierten mit.
Zur Feierlaune trug vor allem das Zauberwort KI – Künstliche Intelligenz bei. KI-Firmen wurden auf Teufel komm raus gekauft. Die Bewertungen stiegen auf ungeahnte Höhen. Immer neue Anwendungen werden in den höchsten Tönen gelobt. Aber Anlegende sollten bedenken: Noch verdienen keine der KI-Firmen mit ihren Modellen richtig Geld – im Gegenteil, noch steigen die Verluste durch massive Investitionen.
„Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich", lautet ein bekannter Aphorismus. Das gilt auch für die Börse. Ich denke an die Internetblase im Jahre 2000. Auch sie wurde durch Firmen aufgepumpt, die exorbitante Verluste produzierten. Da die Gewinne ausblieben, platzte die Blase. Erst danach entwickelte sich die gewinnträchtige Phase des Internets.
Das kann wieder passieren, muss es aber nicht. Anlegende sollten immer vorbereitet sein und sich der Weisheiten aus den Muppets-Clips erinnern, die man am besten so zusammenfasst: „Alles ist an der Börse möglich – auch das Gegenteil." Wer breit diversifiziert in ETFs anlegt, die Zahl von hochspezialisierten Themenfonds in Grenzen hält, hat gute Chancen auch Baissephasen zu überstehen. Das ist langfristig allemal sicherer, als hektisch auf immer neue Prognosen zu reagieren.
