Interview mit Markus Lautenschlager |
„Keine Black Box für Kunden sein“

Markus Lautenschlager ist verantwortlicher Senior Portfoliomanager bei der BV & P Vermögen AG in Kempten. Für ihn spielen transparente ETFs in allen Anlagekategorien eine wichtige Rolle.

Was ist das Besondere Ihrer Vermögensverwaltung? Warum sollte jemand zu Ihnen kommen und nicht zu anderen?

Wir sind eine unabhängige Vermögensverwaltung mit Hauptsitz in Kempten im Allgäu. Das hebt uns in gewisser Weise schon heraus, denn das Allgäu ist keine Hochburg für Vermögensverwaltungen wie zum Beispiel Frankfurt. Spezialisiert sind wir auf Vermögensmanagement und Family Office. Unsere Kundinnen und Kunden kommen aus dem deutschsprachigen Raum. Dabei handelt es sich überwiegend um vermögende Privatkunden, aber auch Stiftungen und kirchliche Einrichtungen. Unsere mehrfach ausgezeichneten Finanzlösungen, die wir anbieten, werden individuell auf die persönliche Lebenssituation der Kundinnen und Kunden zugeschnitten.

Gibt es so etwas wie eine übergeordnete Anlagephilosophie?

Wir sind langfristig orientiert, denn wir wissen, dass kurzfristige Kursbewegungen oftmals rein zufällig sind. Unsere Philosophie fußt auf drei Bausteinen. Hauptbestandteil ist die sogenannte Core-Strategie, ein Portfolio, das im Kern langfristig Ruhe und Stabilität bietet. Als zweiten Baustein haben wir sogenannte Satelliten-Investments, die um den Kern herum gruppiert sind und auf Opportunitäten setzen. Hier nutzen wir aktiv die Markttechnik und fundamentale Bewertungskennzahlen. Je nach Trendstärke kann das Investment länger gehalten werden, aber eben auch schnell wieder aus dem Portfolio fliegen, wenn es den Anforderungen nicht genügt. Übergeordnet ist als dritter Baustein die aktive Steuerung der Aktienquote, die Über-, Unter- oder Neutralgewichtung managt.

Das ist eher eine traditionelle Vermögensverwaltung. Sie bieten aber auch eine digitale Version an. Wie funktioniert die? Steht dahinter ein Algorithmus?

Nein, es gibt keinen Algorithmus, der alles automatisch steuert. Wir bieten sechs Strategien mit unterschiedlicher Risikobereitschaft, die mit Hilfe der Digitalisierung standardisiert umgesetzt werden. Darunter ist zum Beispiel auch eine Strategie, die den norwegischen Staatsfonds nachbildet. Trotz Digitalisierung gilt auch hier das Prinzip der ruhigen Hand. Damit öffnen wir uns auch Investierenden mit kleineren Vermögen. Für die digitale Variante reichen dann schon 50.000 Euro, während die Einstiegsgröße normalerweise bei 500.000 Euro liegt.

Wie sieht Ihr Anlageuniversum aus?

Unser Portfoliogedanke ist global ausgerichtet und breit diversifiziert. Überwiegend nutzen wir liquide Anlagen, die gut handelbar sind, Anlageklassen wie Aktien, Renten oder auch Rohstoffe und Gold. Aber es gibt auch einen Baustein mit Alternativen Investments. Der erlaubt uns, marktunabhängige Renditen zu generieren und ins Portfolio einzubinden, um die Korrelation der verschiedenen Anlageklassen zu optimieren.

Mit welchen Instrumenten setzen Sie dies um, und welche Rolle spielen dabei ETFs?

ETFs/ETCs spielen bei Aktien und Anleihen eine sehr große Rolle. Wir sind der Meinung, dass man mit Hilfe von ETFs die Anlageideen hervorragend umsetzen kann, vor allem dank der Produktwahrheit und Produktklarheit.

Und Direktinvestments mit Einzelwerten, die ja manche Kunden bevorzugen könnten?

Wir haben dazu zwei unterschiedliche Schienen in unserer Firma. Die ETF-Vermögensverwaltung, die ich verantworte, setzt hauptsächlich auf ETFs. Daneben gibt es eine weitere Vermögensverwaltung überwiegend mit Einzelwerten, mit der wir diesen Kundenwünschen entsprechen.

Wie wählen Sie die ETFs aus? Es gibt ja immer mehrere Indizes und Anbieter, es gibt Unterschiede bei den Kosten und Replikationsmethoden.

Wir arbeiten mit verschiedenen Filterkriterien, die eine Due Diligence, also die angemessene Sorgfalt, sicherstellen. Tendenziell ziehen wir physisch replizierende den synthetischen ETFs vor. Das Volumen der Fonds sollte ab 50 Millionen Euro aufwärts aufweisen. Mit unserem Scoringmodell vergleichen wir Kosten und Performance. Wichtig ist auch die Handelbarkeit, also möglichst enge Spannen zwischen An- und Verkauf. Das ist natürlich besonders wichtig bei den Satelliteninvestments, mit denen wir schnell und oft auch mit großem Volumen reagieren müssen.

Setzen Sie Ihre Strategien mit Plain-Vanilla-Produkten um oder nutzen Sie auch Smart Beta mit Merkmalen wie Low Volatility, Minimum-Varianz oder Faktoren wie Size, Momentum oder Value?

Größtenteils bleiben wir bei Plain Vanilla. Mitunter setzen wir Smart Beta bei den Satelliteninvestments ein. Aber unser Anspruch ist, dass unser Portfoliomanagement selbst schon smart ist. So setzen wir beispielsweise eine eigen entwickelte Branchen-Momentumstrategie mittels ETFs um.

Wie halten Sie es mit Themenfonds?

Auch dazu greifen wir natürlich, wenn wir überzeugt sind, dass sie uns weiterbringen. Aber oft sind Themen eine Mode, kein „must have“, in das wir unbedingt etwas allokieren müssen.

Um das Thema Nachhaltigkeit kommen Sie allerdings kaum herum. Wie wird das von den Kundinnen und Kunden angenommen?

Nachhaltigkeit wird stark von den Medien propagiert, und dem Thema haben wir uns schon seit Jahren mit Nachhaltigkeitsstrategien geöffnet, natürlich auf Basis von ETFs. Aber der Due-Diligence-Prozess dafür ist, sagen wir es so, ziemlich tricky. Man muss sich die zugrundeliegenden Indizes sehr genau anschauen. Jeder Emittent definiert Nachhaltigkeit ein bisschen anders. Manchmal wundert man sich, was man da als Nachhaltigkeit in der Indexzusammensetzung vorfindet. Da gilt es genau abzuwägen. Das Interesse unserer Kundinnen und Kunden ist gleichwohl vorhanden, wenn auch noch ein zartes Pflänzchen. Das ist auch nach unserer Erfahrung eine Generationenfrage. Die Jüngeren setzen stärker auf Nachhaltigkeit.

Ich greife das Thema Risikomanagement noch mal auf, von dem wir ja schon einige Elemente gehört haben. Diversifikation ist wichtig, aber kaum ausreichend. Wie agieren Sie, damit zum Beispiel Ihre Satelliteninvestments keine zu großen Drawdowns aufweisen?

Für uns fängt Risikomanagement bei den Kundinnen und Kunden an. Wir müssen uns mit ihnen über Risikotragfähigkeit und Risikobereitschaft klar sein. Prinzipiell betonen wir, dass der Faktor Zeit der beste Verbündete der Anlegerinnen und Anleger ist. Aber wir reagieren natürlich auch marktorientiert. Zunächst kommt auf allen Ebenen Diversifikation zum Tragen, mit Aktien, Renten und auch Alternatives, die weniger schwankungsintensiv sind. Wir achten auf die Saisonalität, sind also in Monaten wie August und September zurückhaltender, investieren aber ab Oktober wieder stärker und erhöhen die Risikotoleranz. Dazu gehört auch antizyklisches Verhalten. Wenn die Kurse übermäßig gefallen sind, greifen wir wieder mutig zu und kaufen Qualität nach.

Dazu hatten Sie ja 2022 große Gelegenheiten. Damals sind ja Aktien wie Renten kräftig gefallen und haben sich dann auch recht schnell wieder erholt. Wie haben Sie das Jahr 2022 gemeistert, und wie sind sie jetzt positioniert?

Das Jahr war schon herausfordernd. Aber dank unserer Gewichtungen von Aktien, Renten und Alternatives sind wir gut über die Runden gekommen. Vor allem die Beimischung von Alternatives wirkte sich positiv aus, da sich dieser Teil besser entwickelte als Renten und somit einem klassischen Ansatz mit Aktien und Renten mancher unserer Konkurrenten überlegen war. Nach vorne gerichtet, nutzen wir jetzt verstärkt wieder die attraktiven Rentenrenditen und gehen dazu über Schritt für Schritt Anleihen wieder höher zu gewichten. Auch im Bereich längerer Laufzeiten sehen wir interessante Gelegenheiten.

Dazu müsste der Zinsgipfel erreicht sein. Sehen Sie den?

Ich denke, wir sind nicht mehr allzu weit davon entfernt, auch wenn diese Erwartung im September erst mal wieder einen Dämpfer bekommen hat. Aber auch wenn die Zinsen noch etwas steigen, mit dem jetzigen Niveau können wir gut leben, so dass diese Bewegungen nicht mehr sehr weh tun. Zehnjährige US Treasuries mit fünf Prozent bieten schon ein solides Gewicht. Wir sind also recht positiv gestimmt.

Was fehlt Ihnen noch an ETFs für Ihre Strategien?

Der ETF-Markt hat sich dermaßen breit diversifiziert entwickelt und ist trotzdem so transparent, dass kaum Wünsche offen sind. Vor allem ist mir wichtig, dass ich für den Kunden keine Black Box bin, und dabei helfen uns die ETFs. Gut, wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich gerne mehr Anleihe-ETFs mit zugeschnittenen Laufzeiten zur Verfügung haben, was mir eine Laufzeitsteuerung erleichtern würde.

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