Kolumne Dr. Bernhard Jünemann |
Macht und Ohnmacht an der Börse

Macht ist die Fähigkeit seinen Willen gegen alle Widerstände durchzusetzen. So lautet eine gängige Definition. Was dies bedeutet, erleben wir zurzeit vor allem in der politischen Sphäre. Da versucht ein amerikanischer Präsident, der Welt seinen Willen aufzuzwingen. Donald Trump verhängt massiv Zölle, um andere Länder gefügig zu machen. Er droht den eigenen Bundesstaaten, indem er Nationalgardisten zum vermeintlichen Schutz der Ordnung aufmarschieren lässt. Aber die USA sind immer noch eine Demokratie, in der Wahlen den Möchtegern-Autokraten in die Schranken weisen und ihm die Macht wieder nehmen können. Da haben es Diktaturen wie in Russland oder China einfacher, weil es keine Opposition und echte Wahlen gibt.

Auch in der Wirtschaft agieren mächtige Firmen, die als Quasi-Monopole die Märkte beherrschen wollen. Doch auch sie stoßen an Grenzen. Es gibt Anti-Trust- oder Wettbewerbsgesetze, die Monopole und Kartelle verhindern. Es gibt zahlreiche Publizitätsanforderungen, die zur Öffentlichkeit zwingen, es gibt allgemeine Strafgesetze, die kriminelles Verhalten bestrafen. Die besten Grenzen setzt immer noch der freie Wettbewerb.

Doch wie steht es um die Macht an der Börse, an der die Aktien von Unternehmen oder die Anleihen von Firmen und Staaten gehandelt werden? Das Geschehen dort muss man sehr differenziert betrachten. Hier agieren Millionen von Anlegerinnen und Anlegern, institutionelle und private. Sie stimmen permanent ab, indem sie kaufen, verkaufen oder halten. Es entstehen, um Friedrich August von Hayek zu zitieren, immer wieder spontane Ordnungen. Sie bedürfen keiner Absprachen, sondern ergeben sich aus gleichgerichteten Handlungen. So entstehen quasi mächtige Kollektive auf Zeit.

Das ist nicht zwangsläufig rational. Spekulationswellen abgelöst von jeder Wertgrundlage können sich entwickeln. Sie können lange laufen, aber platzen am Ende doch. Ein Beispiel dafür könnten aktuell einige Kryptowährungen sein, bei denen der tatsächliche Mehrwert noch nicht eindeutig erkennbar ist. Entsprechend heftig sind schon jetzt oft die Kursreaktionen. Ob sich echte Machtkartelle, wie zum Beispiel die Trump-Familie das versucht, halten können, darf man bezweifeln.

Ein lehrreiches Beispiel für die Wirkung kollektiver Macht ist der Fall der Aktie von GameStop, eines Händlers für Computerspiele. Während der Pandemie im Jahr 2021 lösten Analystenkommentare eine kollektive Begeisterung aus, die den Kurs in ungeahnte Höhen trieb. Große Hedgefonds wetteten sofort dagegen und verkauften die Aktie massiv leer. Sie liehen sich also die Aktie, verkauften sie in der Hoffnung, sie später deutlich günstiger kaufen zu können und dann an den Verleiher zurückzugeben. Als der Kurs dann nicht wie erwartet fiel, mussten die Hedgefonds Aktien kaufen, um ihre Verpflichtung zu erfüllen. Ein sogenannter Short-Squeeze entstand. Das Geschäft der Hedgefonds platzte und ihre Käufe heizten die Spekulation erst recht an. Falsch war die Erwartung der Hedgefonds nicht, nur ihr Timing. Denn inzwischen ist die Aktie massiv gefallen und notiert rund 70 Prozent unter dem Höchstpreis. So hat auch das Kollektiv letztlich verloren.

Selbst wenn der einzelne in solch einer Spekulation zeitweise gut verdient hat, die Masse der Anlegerinnen und Anleger empfinden sich letztlich als ohnmächtig gegenüber dem Kursgeschehen an der Börse. Deshalb sollten sie sich von solchen Machtspielen freimachen.

Wer an der Börse langfristig agiert, sollte dies immer höchst diversifiziert tun.

Das können sie zu einem gewissen Grad mit ein paar einfachen Regeln erreichen. Zunächst müssen sie sich klar werden, welche Ziele sie mit der Geldanlage verfolgen: heiße Spekulation oder systematische Anlage in Unternehmenswerten zum Beispiel für die Altersvorsorge? Wer an der Börse langfristig agiert, sollte dies immer höchst diversifiziert tun, gestreut über einzelne Aktien, aber auch andere Instrumente wie Anleihen.

Eine ziemlich entspannte Form dafür ist der Kauf von ETFs, die die Inhalte von Indizes abbilden und breit diversifiziert sind. Ja, auch sie schwanken natürlich wie die Märkte insgesamt. Aber solche Bewegungen lassen sich mit einem breit aufgestellten Portfolio in der Regel gut aushalten. So profitieren Anlegende auch ganz ohne Macht vom Handel an der Börse.

Disclaimer

Diese Darstellungen inklusive Einschätzungen wurden nur zum Zwecke der Information des jeweiligen Empfängers erstellt. Die Informationen stellen weder ein Angebot, eine Einladung zur Zeichnung oder zum Erwerb von Finanzinstrumenten noch eine Empfehlung zum Erwerb dar. Die Informationen oder Dokumente sind nicht als Grundlage für irgendeine vertragliche oder anderweitige Verpflichtung gedacht, noch ersetzen sie eine (Rechts- und / oder Steuer-) Beratung; auch die Übersendung dieser stellt keine derartige beschriebene Beratung dar. Die hier abgegebenen Einschätzungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen getroffen und stammen (teilweise) aus von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen. Eine Haftung für die Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit der gemachten Angaben und Einschätzungen, einschließlich der rechtlichen Ausführungen, ist ausgeschlossen. Die enthaltenen Meinungsaussagen geben unsere aktuelle Einschätzung zum Zeitpunkt der Erstellung wieder. Die Einschätzung kann sich jederzeit ohne Ankündigung ändern. Jeder Empfänger sollte eine eigene unabhängige Beurteilung, eine eigene Einschätzung und Entscheidung vornehmen. Insbesondere wird jeder Empfänger aufgefordert, eine unabhängige Prüfung vorzunehmen und / oder sich unabhängig fachlich beraten zu lassen und seine eigenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf wirtschaftliche Vorteile und Risiken unter Berücksichtigung der rechtlichen, regulatorischen, finanziellen, steuerlichen und bilanziellen Aspekte zu ziehen. Sollten Kurse / Preise genannt sein, sind diese freibleibend und dienen nicht als Indikation handelbarer Kurse / Preise.

ETF Wertarbeit

Das monatliche Wissens-Update

Jetzt für Newsletter anmelden
angle-up