Interview mit Stephan Kraus | „Mehr Transparenz und geringere Kosten“
Wie hat sich der Anteil der Privaten im ETF-Handel im Vergleich zu den institutionellen großen Adressen in den letzten Jahren entwickelt?
Hier sehen wir ein kontinuierliches Wachstum der Aktivität von Privatanlegenden im ETF-Handel auf Xetra. Basierend auf unseren internen Daten stieg der Anteil an den Orders am ETF-Handelsvolumen auf 13 Prozent. Vor zehn Jahren lag der Anteil noch bei unter fünf Prozent. Nehmen wir die Anzahl der ausgeführten Orders als Maßstab, dann gehen wir von einem Anteil der Privatanlegerinnen und -anleger von mehr als 30 Prozent aus. Damit ist Xetra eine der größten Handelsplattformen für Privatanlegende, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.
Privatanlegende nutzen ETFs gerne mit Sparplänen. Die werden von vielen Finanzinstitutionen auch empfohlen. Wie behandelt Xetra solche Sparpläne, die ja regelmäßig zu Käufen führen?
In der Tat etablieren sich ETF-Sparpläne zunehmend als zentraler Baustein für die private Altersvorsorge, aber auch für den langfristigen Vermögensaufbau. Als Deutsche Börse haben wir diese Entwicklung schon früh erkannt und sehen das Investmentsparen als Chance für eine stärkere Beteilung von privaten Anlegerinnen und Anlegern am Kapitalmarkt. Deshalb haben wir bereits 2019 ein Programm zur kostenfreien Ausführung von ETF-Sparplänen auf Xetra eingeführt. Dazu noch ein Zahlenbeispiel. Manche Broker nutzen die Xetra-Auktion am ersten Handelstag eines Monats zur Ausführung ihrer Sparplanaufträge. Hier hat sich das Handelsvolumen mit dem erwähnten Programm von durchschnittlich 30 Millionen Euro in 2019 auf jetzt mehr als 250 Millionen Euro erhöht, also ein Anstieg von nahezu 800 Prozent. Das unterstreicht, wie hoch die Wachstumsdynamik dieses Anlagemodells ist.
Wer im Internet bei seiner Bank oder Sparkasse ETFs kauft, bekommt in der Regel mehrere Handelsplattformen zur Auswahl, auch außerbörsliche. Warum soll man sich für Xetra entscheiden?
Dafür spricht einiges. Zunächst ist die Verfügbarkeit und Stabilität des Xetra-Systems äußerst hoch. Das ist gerade in einem volatilen Marktumfeld wichtig. Dann profitieren Anlegerinnen und Anleger von der besonders hohen Liquidität und Preisqualität. Eine entscheidende Rolle kommt dabei den Designated Sponsors zu, also auf ETFs spezialisierte Market Maker, die untereinander und mit allen anderen Handelsteilnehmern im Wettbewerb stehen. Außerbörsliche und regionale Handelsplätze arbeiten dagegen oftmals nur mit einem Market Maker exklusiv zusammen. Ein Wettbewerb um den besten Preis findet dort dann nicht statt.
Und was ist mit den Kosten? Xetra gilt vielen als teuer.
Als größte europäische Börse für ETFs bieten wir äußerst attraktive Handelskonditionen. Zudem arbeiten wir kontinuierlich an einer weiteren Verbesserung der Preisqualität. Berücksichtigt man alle Kosten des Handels, ist insbesondere der Ausführungspreis einer ETF-Order entscheidend. Hier haben wir im März ein neues Serviceangebot speziell für Privatanlegerinnen und -anleger eingeführt. Wir haben eine neue Market-Maker-Rolle geschaffen, den sogenannten Retail Liquidity Provider. Dieser stellt neben allen anderen Handelsteilnehmern im Orderbuch gezielt Preise für Privatanlegende. Das Ziel dieser Market Maker ist eine weitere Preisverbesserung gegenüber den besten Kauf- und Verkaufskursen im Xetra-Orderbuch. Dieses Ziel haben wir schon in den ersten Wochen mit Bravour erreicht. Seit Start des Angebots wurden bereits Privatanlegerorders mit einem Ordervolumen von über einer halben Milliarde Euro zu besseren Preisen als die besten Geld- und Briefkurse im Xetra-Handel ausgeführt. Das ist ein neuer Standard im ETF-Handel für Privatanlegende. Zum Kostenthema: Wir haben zusätzlich die Handelsentgelte für die Ausführung solcher Orders reduziert. Davon profitieren auch private Anlegerinnen und Anleger, wenn ihre Bank die Kostenvorteile an sie weiterreicht. Und das tun die ersten Banken und Broker bereits.
Wo greifen Anlegerinnen und Anleger besonders häufig zu? Welche aktuellen Trends gibt es da?
Ich möchte drei nennen. Zum ersten sind es Klassiker. Wir sehen eine weiterhin hohe Nachfrage nach weltweit investierenden Aktien-ETFs mit breiter Streuung. Diese nutzen Privatanlegende oft als Basisinvestment, häufig auch in Sparplänen. Zum zweiten sind es im Rentenbereich sogenannte Overnight-ETFs, umgangssprachlich auch als Geldmarkt- oder Money Market-ETFs bekannt. Anlegerinnen und Anleger nutzen diese als Alternative zum klassischen Tagesgeld. Mit solchen Fonds hat man den Vorteil, dass man nicht die aktuellen Konditionen einer Bank im Blick behalten muss, sondern automatisch über den ETF den jeweiligen Referenzzinssatz der EZB erhält. Und zum dritten haben wir in den letzten Monaten eine starke Nachfrage nach Themen-ETFs gesehen, vor allem nach Fonds, die auf den Verteidigungssektor ausgerichtet sind. Das hängt natürlich mit den steigenden Militärausgaben angesichts der geopolitischen Spannungen zusammen. Das investierte Volumen beträgt nun mehr als fünf Milliarden Euro. Auch das Handelsvolumen ist kräftig gewachsen. Im ersten Quartal betrug es 1,9 Milliarden Euro auf Xetra, ein Plus von 600 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Es gibt auch einen anderen Trend, zu dem Banken und Sparkassen beraten. Das ist die Nachhaltigkeit. Wie entwickelt sich dieser Markt?
Hier sehen wir nach dem außerordentlich starken Wachstum der letzten Jahre eine Stabilisierung auf hohem Niveau. Wir bieten aktuell mehr als 1000 ESG-ETFs auf Xetra. Die Abkürzung ESG steht für Environmental, Social and Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.
Der Anteil am investierten ETF-Vermögen beträgt rund 23 Prozent, der Anteil am Handelsvolumen 18 Prozent. Angesichts der aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Krisen mag das Thema Nachhaltigkeit etwas in den Hintergrund geraten sein. Die Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, bleiben aber bestehen. Ich gehe daher davon aus, dass Anlegerinnen und Anleger auch zukünftig ein hohes Interesse daran haben werden, nachhaltige Anlagegrundsätze bei ihren Investitionen zu berücksichtigen.

Allein im März und April haben wir mit jeweils 34 Milliarden Euro Handelsvolumen einen neuen Umsatzrekord auf Xetra erzielt.
Leiter des ETF- & ETP-Segments der Deutschen Börse
Zu dieser Geopolitik gehört ja in diesem Jahr auch Donald Trump mit seiner Zollpolitik und der Gefahr von Handelskriegen. Die Börse hat Anfang April mit heftigen Verwerfungen reagiert und sich doch wieder erholt, nachdem Trump die Zölle vorerst ausgesetzt hat. Europäische Börsen scheinen sich besser als amerikanische zu schlagen. Was tut sich da im ETF-Handel?
Zunächst einmal hat diese Politik zu einem deutlichen Anstieg der Volatilität geführt. Viele Anlegerinnen und Anleger haben diese Kursschwankungen für eine Neuausrichtung ihrer Anlagepositionen genutzt. Dabei haben sich ETFs erneut als effizientes und hochliquides Anlageprodukt bewiesen. Allein im März und April haben wir mit jeweils 34 Milliarden Euro Handelsvolumen einen neuen Umsatzrekord auf Xetra erzielt. Davon profitierten in der Tat insbesondere europäische Aktien-ETFs. Wir haben die Handelsumsätze von ETFs auf den STOXX Europe 600 und den S&P 500 für März und April mit den jeweiligen Vormonatsdaten verglichen. ETFs auf den STOXX Europe 600 haben ihr Handelsvolumen deutlich um 115 Prozent gesteigert, ETFs auf den S&P 500 dagegen nur moderat um 16 Prozent.
Auch wenn es zurzeit wieder ganz gut aussieht, seitdem Trump mit den Chinesen erste Einigungen getroffen hat und sich die Gefahr von Handelskriegen zu vermindern scheint, bleibt die Unsicherheit hoch. Was raten Sie den Privatanlegerinnen und -anlegern in diesen Zeiten hoher Volatilität?
Privatanlegende sollten verstehen, dass Investitionen am Aktienmarkt von Zeit zu Zeit stärkeren Marktschwankungen unterliegen können. Das ist nicht ungewöhnlich. Sie sollten deshalb nur Kapital investieren, das sie nicht kurzfristig benötigen. Ich habe mir noch einmal die Modellrechnungen des Deutschen Aktieninstituts zum MSCI World Index angeschaut. Wer in den vergangenen 50 Jahren jeden Monat in diesen Index investiert hat, erzielte bei einer Spardauer von 20 Jahren eine durchschnittliche Jahresrendite von 8,6 Prozent. Mit diesem Wissen lassen sich kurz- und mittelfristige Marktschwankungen wie in den vergangenen Wochen besser einordnen.
Was bietet die Deutsche Börse an Hilfsmitteln, um zu guten Entscheidungen zu kommen?
Neben zahlreichen Publikationen und Webinaren bieten wir auch ein umfassendes Angebot an Statistiken und Kennzahlen zu ETFs, darunter zum Beispiel das Xetra-Liquiditätsmaß oder kurz XLM. Diese Kennzahl berücksichtigt nicht nur die besten Kauf- und Verkaufskurse, sondern auch die Tiefe des Orderbuchs. Je niedriger das XLM, desto höher die Liquidität, und desto geringer die Handelskosten. So kann man für sich den liquidesten ETF auswählen. Außerdem haben wir vor kurzem zu unserem 25-jährigen ETF-Jubiläum auf Xetra kostenlose Echtzeit-Kurs- und Orderbuchdaten für Privatanlegende verfügbar gemacht. Das ist ein Novum und bietet nochmal deutlich mehr Transparenz. Davon kann jeder profitieren, der sich auf unserer Website boerse-frankfurt.de registriert.