Makro Research mit Dr. Ulrich Kater. |
Stressbewältigung.

Die historische geldpolitische Kehrtwende der Notenbanken im vergangenen Jahr galt der Bekämpfung inflationärer Prozesse. Die Inflationsraten lagen teilweise im zweistelligen Bereich. Dies war nicht hinnehmbar, sodass geldpolitisch kräftig auf die Bremse getreten wurde, um die Inflationsraten möglichst rasch in Richtung der Zielwerte der Notenbanken von 2 % zurückzudrängen. Die Notenbanken kommunizierten klar, dass sie bereit und willens seien, die geldpolitischen Zügel anzuziehen, auch um den Preis spürbarer konjunktureller Belastungen bis hin zu einer Rezession. Auf die vormals außerordentlich günstigen Finanzierungsbedingungen folgte mithin Stress durch höhere Zinsen. Denn höhere Zinsen dämpfen die Kreditvergabe, erschweren den Schuldendienst und sie belasten die Kurse von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren.

Die verschiedenen Wirkungskanäle einer geldpolitischen Straffung sind theoretisch bekannt und haben sich in der Vergangenheit regelmäßig auch in der Praxis eingestellt. Nun hat sich die Weltwirtschaft bislang recht resilient gezeigt, und die mancherorts befürchtete Insolvenzwelle ist ausgeblieben. Dennoch war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es für den Finanzmarkt und den Bankensektor noch Stress geben würde. Die Schnelligkeit und Vehemenz der monetären Straffung bringt erhebliche Herausforderungen im Hinblick auf deren Verarbeitung in den Bilanzen und Geschäftsmodellen der Finanzinstitute. Dass die Stressbewältigung nicht allen Banken gleich gut gelingen würde, war grundsätzlich klar. Seit im März in den USA die Silicon Valley Bank in Schieflage geriet und in der Schweiz die Credit Suisse in Windeseile übernommen werden musste, wurden schlagartig Erinnerungen an die Finanzmarktkrise nach der Lehman-Pleite im Herbst 2008 wach. Entsprechend gaben die Aktienkurse nach, und die Kapitalmarktrenditen fielen spürbar. Doch die Situation hat sich schnell beruhigt. Die Finanzmarktteilnehmer vertrauen darauf, dass die Notenbanken bei ihren Zinserhöhungen mit Bedacht vorgehen und dass sie im Notfall gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden zügig Lösungen finden. Natürlich kann es durchaus noch bei einzelnen Instituten zu Problemen kommen. Doch die Perspektive einer insgesamt gelingenden Stressbewältigung sowohl in der Konjunktur als auch an den Finanzmärkten ist realistisch.

Nachdem die deutsche und die US-Wirtschaft recht gut über den Winter gekommen sind, dürften sich nun allerdings die Belastungen in der Kreditvergabe noch etwas stärker auswirken, sodass leichte Rückgänge des Bruttoinlandsprodukts anstehen. Diese konjunkturelle Enttäuschung und die noch weiter straffende Geldpolitik mögen kurzzeitig Spuren an den Börsen hinterlassen. Entscheidend wird sein, dass die Notenbanken bei der Inflationsbekämpfung Erfolg haben und damit den Weg bereiten für eine Erholung der Konjunktur wie auch der Kapitalmärkte.

Konjunktur Industrieländer.

Deutschland

Manchmal kann sich ein Konjunkturbild sehr schnell drehen. Die sehr schwachen Dezemberindikatoren wurden massiv – teilweise um mehrere Prozentpunkte – nach oben revidiert. Dazu brachte der Januar einen positiven Rück-prall, sodass wir das erste Quartal spürbar nach oben revidiert haben. Dass unterm Strich dennoch eine leichte Abwärtsrevision des Bruttoinlandsprodukts für dieses und das kommende Jahr steht, ist darauf zurückzuführen, dass wir nach den jüngsten Problemen im Bankensektor eine restriktivere Kreditvergabe der Banken erwarten.

Prognoserevision: Leichte Abwärtsrevision der BIP- und leichte Aufwärtsrevision der Inflationsprognose.

Deutschland: Bruttoinlandsprodukt

Euroland.

Die Stimmungsindikatoren deuten auf eine Stagnation der Wirtschaftsleistung in Euroland im ersten Quartal 2023 hin. Die Unsicherheit bezüglich der konjunkturellen Entwicklung bleibt hoch. Zwar ist eine Gasmangellage unwahrscheinlicher geworden, aber insbesondere mit Blick auf die jüngsten Turbulenzen im europäischen und US-Bankensystem sind die Risiken für den wirtschaftlichen Ausblick hoch. Der europäische Arbeitsmarkt zeigt sich von der schwachen Konjunkturdynamik in den vergangenen drei Quartalen bislang unbeeindruckt. Die Arbeitslosenquote verharrte mit 6,6 % im Februar auf dem Allzeittief. In den vier großen EWU-Ländern lagen die Arbeitslosenquoten im Bereich von 2,9 % in Deutschland bis 12,8 % in Spanien. Dazwischen befanden sich die Arbeitslosenquoten aus Frankreich (7,0 %) und Italien (8,0 %).

Prognoserevision: Abwärtsrevision der BIP-Prognosen für 2023 und 2024, Abwärtsrevision der Inflationsprognose für 2023.

Euroland: Bruttoinlandsprodukt

USA.

Mit Blick auf die bislang vorliegenden Daten scheint sich die US-Wirtschaft auch im ersten Quartal stärker als ursprünglich erwartet entwickelt zu haben. Durch die Pleite der Silicon Valley Bank dürfte die Kreditvergabe der Banken noch weiter gebremst werden, sodass wir eine Abwärtskorrektur unseres Wachstumsausblicks für das Sommerhalbjahr vorgenommen haben. Für beide Quartale rechnen wir nun mit einer Schrumpfung. Von der von uns erwarteten Rezession gehen allerdings nur marginale deflationäre Impulse aus, sodass die Inflation weiterhin nur zögerlich sinkt und die Zentralbank erst im kommenden Jahr mit der Leitzinswende beginnen kann.

Prognoserevision: Anhebung der BIP-Prognose für 2023 sowie Senkung für 2024; Anhebung der Inflationsprognose für 2023 und 2024..

USA: Bruttoinlandsprodukt

Märkte Industrieländer.

Europäische Zentralbank / Geldmarkt.

Kurz nach Ausbruch der Unruhe im globalen Bankensystem hat die EZB die Leitzinsen nochmals um 50 Basispunkte angehoben. Ihr weiteres Vorgehen macht sie jedoch von den sich entwickelnden Umständen abhängig. Sie signalisiert dabei eine hohe Bereitschaft, finanziellen Verwerfungen mit der Bereitstellung zusätzlicher Liquidität entgegenzuwirken. Wegen der Inflation will sie auf Leitzinserhöhungen jedoch nur verzichten, falls die Probleme im Bankensektor auf die Realwirtschaft ausstrahlen. Da wir mit einem mäßigen, aber zumindest positiven Wirtschaftswachstum rechnen, gehen wir davon aus, dass die EZB die Anhebung der Leitzinsen fortsetzen wird. Wegen der erhöhten Unsicherheit dürfte sie jedoch vorsichtiger vorgehen, mit kleineren Zinsschritten von jeweils 25 Basispunkten im Mai und Juni. Bei einem weiterhin langsamen Abbau der Wertpapierbestände des APP und möglicherweise neuen langfristigen Refinanzierungsgeschäften dürften die Überschussreserven noch für einige Zeit hoch genug bleiben, um die €STR- und EURIBOR-Sätze an den Einlagensatz zu koppeln.

Prognoserevision: Geringere Leitzinserhöhungen.

EZB: Hauptfinanzierungsansatz

Rentenmarkt Euroland.

Die Besorgnis über die Stabilität des globalen Bankensystems hat Marktteilnehmer im Euroraum bewogen, von geringeren Leitzinserhöhungen und früher beginnenden Leitzinssenkungen der EZB auszugehen. Folglich waren die Auswirkungen auf das kurze Ende der Bundkurve stärker und ihre Inversion bildete sich etwas zurück. In den kommenden Monaten ist mit einer entgegengesetzten Bewegung zu rechnen, sofern eine Eskalation der Banken-Probleme ausbleibt und die EZB ihre Leitzinserhöhungen fortsetzt. Dennoch sollten die Renditen von Bundesanleihen nicht wieder die Niveaus von Anfang März erreichen, solange die Unsicherheit über die Stabilität der Banken fortbesteht. Umgekehrt würden stärkere Renditerückgänge in den längeren Laufzeitbereichen Rezessionsängste und dadurch sinkende Inflationserwartungen voraussetzen.

Prognoserevision: In allen Laufzeitbereichen niedrigere Renditeniveaus.

Bundesanleihen: Renditen in % p.a.).

Devisenmarkt: EUR-USD.

Runter und wieder rauf: Nach dem Rückgang des Wechselkurses von 1,10 auf 1,05 USD je EUR im Februar folgte nach der Pleite der Silicon Valley Bank Mitte März ein Anstieg auf 1,08 USD je EUR. Erneut sind es veränderte Markterwartungen an die US-Notenbank, die den Wechselkurs in kurzer Zeit so deutlich bewegt haben. Trotz des Bankenstresses hat die Fed im März ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,75 % – 5,00 % erhöht. Nun aber erwarten Finanzmarktteilnehmer, dass sie als Reaktion auf den Bankenstress ab Mitte 2023 zu Leitzinssenkungen übergehen wird. Demgegenüber steht die Annahme weiterer Leitzinserhöhungen der EZB angesichts einer hohen Kerninflation in Euroland. Die geldpolitische Unsicherheit, insbesondere bezüglich des Kurses der Fed, dürfte bei diesem Währungspaar vorerst zu einem volatilen Seitwärtstrend beitragen.

Wechselkurs EUR-USD.

Aktienmarkt Deutschland.

Dank des schnellen Eingreifens von Aufsichtsbehörden und Notenbanken haben sich die punktuellen Verspannungen im Bankensektor schnell aufgelöst, und die Stimmung hat sich nur kurzzeitig eingetrübt. Sicherlich wird es in dem Bereich Nachbeben geben, eine sich selbst verstärkende Wirkungskette ist aber nicht zu erkennen. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die realwirtschaftlichen Unternehmen derzeit von den steigenden Finanzierungsbedingungen weniger stark belastet werden, als sie von sinkenden Rohstoffpreisen und einer Entspannung in den Lieferketten profitieren. Dies führt zu einer auskömmlichen Profitabilität im Unternehmenssektor, sodass die Unternehmensgewinne, trotz des schwierigen konjunkturellen Umfelds, nur leicht zurückgehen dürften. Punktuell aufflammender Finanzmarktstress dürfte immer wieder belasten, bei einer insgesamt moderaten Bewertung des Aktienmarktes ist mittelfristig aber mit einer Seitwärtskonsolidierung der Kurse zu rechnen.

Prognoserevision: Leichte Aufwärtsrevision der Kursziele.

Aktienmarktprognose

Unternehmensanleihemarkt Euroland.

Der Bankenstress hat dem Markt für Unternehmensanleihen einen gehörigen Schrecken eingejagt. Unter der Führung von Finanztiteln sind die Spreads kurzfristig spürbar angesprungen. Doch auch für nicht-finanzielle Unternehmen stieg der Stress, denn die Finanzierungskonditionen verschärfen sich weiter, und in der Folge nimmt die Rezessionswahrscheinlichkeit zu. Da die Credit Suisse ein Sonderfall ist und EZB und Bankenaufsicht betonen, zwar wachsam zu sein, aktuell aber keine stark erhöhten Gefahren zu befürchten, hat sich der Markt auch schnell wieder beruhigt. Doch angesichts der hohen Unsicherheiten werden die Ausblicke der Unternehmen nach unten angepasst werden müssen, und die Spreads dürften zunächst sehr volatil bleiben und immer mal wieder ein Stück herauslaufen.

iTraxx Europe (125)

Emerging Markets.

Märkte.

EM-Anleihen wurden in den vergangenen Wochen vom globalen Trend zu sinkenden Renditen gestützt, wobei sich die Risikoaufschläge von Hartwährungsanleihen ausgeweitet haben. EM-Aktien entwickelten sich vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen schwach. Der Stress in den Bankensystemen der USA und der Schweiz hat bislang nicht zu einer Flucht aus Schwellenländeranlagen geführt. Die kommenden Monate dürften dennoch schwierig bleiben. Die großen Zentralbanken zeigen sich entschlossen, die Geldpolitik so lange restriktiv auszurichten, bis der Preisdruck merklich nachgelassen hat. Sie dürften daher auf die zu erwartenden schwächeren Wirtschaftsdaten zunächst nicht so reagieren, wie sich die Kapitalmärkte dies erhoffen. Dies spricht für weiteres Rückschlagspotenzial bei Aktien und moderate Spreadausweitungen bei Hartwährungsanleihen. Zinssenkungen in der Breite sind zwar in den kommenden sechs Monaten nach unserer Einschätzung unwahrscheinlich, doch der Zinsanhebungszyklus ist weitgehend abgeschlossen, wovon vor allem die Rentensegmente in der zweiten Jahreshälfte profitieren dürften.

EMBIG-Spread

Szenarien.

Wir haben unsere Szenarien überarbeitet und die Wahrscheinlichkeit des Negativszenarios zulasten des Basisszenarios erhöht.

Basisszenario (Wahrscheinlichkeit: 65 %)

Deglobalisierung, Demografie und Dekarbonisierung halten perspektivisch den Inflationsdruck hoch und dämpfen das globale Wachstum.

Regimewechsel am Kapitalmarkt durch dauerhaft höhere Zinsen.

Notenbanken erhöhen Leitzinsen, bis Rückgang der Inflationsraten hinreichend weit vorangeschritten und mithin gesichert ist. Erste Leitzinssenkungen sind frühestens 2024 zu erwarten.

Weltwirtschaft durchläuft eine Schwächephase und wächst ab Herbst 2023 wieder kräftiger.

Wegen weiterhin zu hoher Inflation und wegen deutlich gestiegener Zinsen werden Geld- und Finanzpolitik bis auf Weiteres die Entwicklung von Wirtschaft und Kapitalmärkten nicht mehr so stützen können wie bisher.

Für Europa und die USA sind bis ins Jahr 2024 hinein schwaches Wachstum und zu hohe Inflationsraten zu erwarten.

In China begrenzen anhaltende Probleme wie die verstärkte staatliche Regulierung und die Korrektur im Immobiliensektor das Wachstum.

Aktienmärkte bewegen sich zunächst seitwärts mit hohen Schwankungen. Mittelfristig profitieren sie von globalem Wachstum und dem Umbau der Wirtschaft mit Blick auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Zinsen dürften tendenziell niedriger als Inflationsraten bleiben. Kaufkrafterhalt der Geldanlagen funktioniert am besten über breit gestreute Wertpapieranlagen, allerdings unter Inkaufnahme von Wertschwankungen.


Negativszenario (Wahrscheinlichkeit: 25 %)

Dramatische Eskalation des Russland-Ukraine-Kriegs mit Ausweitung auf weitere Länder. Infrastruktur-Sabotage als Mittel der unkonventionellen Kriegsführung. Anhaltende Ost-West-Konfrontation verringert positive Wachstumswirkungen der Globalisierung.

Massive Zunahme bei Ausfällen von Unternehmens-, Immobilien- und Konsumkrediten aufgrund von starken Zinsanstiegen erodiert Bankbilanzen und löst eine globale Bankenkrise aus.

Zweitrundeneffekte bei der Inflation setzen Lohn-Preis-Spirale in Gang und führen zu anhaltend höheren Inflationsraten. Notenbanken sehen sich dadurch zu einer extrem restriktiven Geldpolitik gezwungen, die eine massive Rezession auslöst.

Stark gestiegene Staatsverschuldung löst in Verbindung mit den spürbar gestiegenen Zinsen regionale bzw. globale Schuldenkrisen aus mit dem Risiko einer umfassenden Finanzkrise bzw. in Euroland einem erneuten Infragestellen der Währungsunion.

Dauerhafte ausgeprägte Wachstumsschwäche in China.


Positivszenario (Wahrscheinlichkeit: 10 %)

Inflationsraten gehen innerhalb kürzester Zeit zurück und bleiben dann im Bereich der Notenbankziele. Notenbanken können Zinsen zügig auf neutrale Niveaus zurücknehmen.

Einfrieren des Russland-Ukraine-Konflikts führt zu zügiger Beruhigung von Wirtschaft und Finanzmärkten.

Kräftige Gewinnanstiege der Unternehmen führen zu deutlichen Aktienkursanstiegen und wirken als Triebfeder für die Investitionsdynamik.

Überraschend starke Wachstumsdynamik in den Emerging Markets mit Schubwirkung für globale Wirtschaft.

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