Interview Leandro Barulli. |
„Es kommt auf langfristige Ziele an“

Leandro Barulli ist Portfoliomanager und Vermögensverwalter bei der Top Vermögen AG in Starnberg. ETFs sind bei ihm in Verbindung mit Faktorinvestment ein wichtiger Teil im Asset Management.

Top Vermögen klingt gut, wirklich nach Spitze. Was ist das Besondere an Ihrem Angebot?

Meiner Meinung nach sind drei Attribute entscheidend. Erstens sind wir ein Familienunternehmen, seit über 20 Jahren für unsere Mandanten tätig und jetzt bereits in der zweiten Generation. Wie der Mittelstand allgemein denken wir langfristig. Im Vordergrund steht nicht der schnelle Ertrag, sondern die vertrauensvolle Zusammenarbeit über Jahrzehnte hinweg. Zweitens sind wir unabhängig. Gut, das sagt jeder, aber angesichts der Tatsache, dass viele kleine Vermögensverwaltungen von Konzernen aufgekauft werden, ist unser stabiles Familienunternehmen kein Übernahmekandidat. Wir arbeiten auf Honorarbasis und haben eine breite Kundenbasis, die unsere Unabhängigkeit ebenfalls sichert. Drittens sind wir so aufgestellt, dass auch der einzelne Portfoliomanager sehr frei agieren kann und genau zu den Kunden, die er betreut, passt.

Wer sind Ihre Kunden?

Der Kern sind vermögende Privatkunden, vor allem erfolgreiche Unternehmer aus dem Mittelstand. Hinzu kommen institutionelle Mandate, Stiftungen und Pensionskassen. Ein durchschnittliches Mandat umfasst ca. 800.000 Euro.

Gibt es eine übergreifende Anlagephilosophie oder -strategie?

Die hängt immer vom Kunden und vom Portfoliomanager ab. Da ich aus der Wissenschaft komme, ist mein Ansatz evidenzbasiert. Ich lege prognosefrei und auf Basis der aktuellen Kapitalmarktforschung an. Bei mir gibt es kein schnelles Rein und Raus. Das Portfolio ist immer breit diversifiziert, und primär im liquiden Bereich. Für mich gilt der Grundsatz, nur in das zu investieren, was ich wirklich verstehe. Für Private Equity oder Immobilien bin ich kein Spezialist, da gibt es bessere Experten. Die gibt es natürlich in unserem Netzwerk. Mit dem übergeordneten Blick auf das Gesamtvermögen meiner Mandanten arbeite ich gerne mit anderen Experten zusammen und verweise gerne an deren Kompetenz.

Welche Rolle spielen ETFs in Ihrem Anlageuniversum?

Das Universum ist generell global ausgerichtet, beinhaltet unterschiedliche Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und in begrenztem Umfang auch Rohstoffe sowie Edelmetalle zur Diversifikation. ETFs spielen bei mir eine wichtige Rolle. Mindestens 50 Prozent meiner Portfolios werden durch ETFs abgedeckt. Damit bekomme ich kostengünstig eine breite Streuung hin, die von aktiven Managern nur schwer zu schlagen ist. Darüber hinaus sind auch einzelne Aktien in den Portfolios, wenn dies zum jeweiligen Mandat passt. Bei Anleihen setze ich stärker auf Direktinvestments. Der Grund ist, dass viele Kunden planbare Cashflows benötigen, was ich über ETFs nicht so leicht abbilden kann. Um die Planbarkeit zu sichern, muss ich die Anleihen bis zur Fälligkeit halten. Schwankungen während der Laufzeit sind dann nicht relevant.

Wie wählen Sie die ETFs aus? Es gibt ja für einzelne Märkte verschiedene Indizes und dann noch verschiedene Anbieter.

Zunächst schaue ich mir den Index genau an und prüfe, ob dieser zu meinen Vorgaben passt. Zum Beispiel ist mir im MSCI World der US-Anteil zu hoch. Den kann ich besser mit regionenspezifischen ETFs zu den USA oder Nordamerika steuern. Beim ETF ist wichtig, dass dieser den Index so präzise wie möglich abbildet. Dazu achte ich immer genau auf die Tracking Difference, worin ja auch die Kosten eingehen. Dann ist die Wirtschaftlichkeit wichtig. Ich will keine kleinen Fonds, die ständig verschmolzen werden. Ein Mindestvolumen von 100 Millionen Euro ist das Minimum. Schließlich wähle ich immer physisch replizierende Fonds, weil sich die meisten Mandanten damit wohler fühlen als mit synthetischen.

Investieren Sie auch in sogenannte Smart-Beta-ETFs, also Strategiefonds, die bestimmte Merkmale abbilden wie sie auch als Faktorinvestment bekannt sind?

Ich bin ein großer Fan von Faktorinvestments. Ich habe mir dazu die Forschung genau angeschaut. Für mich müssen die Faktoren systematisch über längere Zeiträume wirksam sein und eine nachhaltige sowie ökonomisch erklärbare Prämie generieren.

Aber die Wirksamkeit kann sehr zyklisch sein. Tauschen sie dann die Faktor-ETFs aus?

Nein, ich halte von Faktorrotation wenig, sondern stelle mich breit nach einem Multifaktoransatz auf. Nehmen Sie das Beispiel Value. Dieser Faktor lief jahrelang nicht so gut. Heute will ihn jeder gerne im Depot haben und wäre möglicherweise viel zu spät dran. Ich wähle die Faktoren mit einem gewissen Diversifikationseffekt aus und bin so über die Zyklen hinweg gut positioniert.

Bei jeder Aktion muss ich zweimal richtig liegen, beim Ausstieg und beim Wiedereinstieg.

Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus? Ist das schon ein Thema bei Ihren Kunden?

Es wird definitiv ein Thema für die gesamte Branche sein. Aber die Mandanten fragen Nachhaltigkeit nur vereinzelt nach. Wir sind dabei auch noch zurückhaltend. Denn die Vorgaben der Regulierung sind zu schwammig. Entsprechend sind die Kriterien in den einzelnen Indizes höchst unterschiedlich und widersprechen sich manchmal. Nehmen sie nur das Thema Atomkraft oder Öl. Ich bin überzeugt, dass man Nachhaltigkeit mehr über individuelles Verhalten im Alltag regeln sollte als über Investments. Das sind Dinge, die ich wirklich beeinflussen kann.

Auch wenn sie breit anlegen, Märkte können heftig schwanken. Nicht jeder Kunde hält das aus. Diversifikation funktioniert zudem gerade in Abwärtsphasen oft nicht gut. Wie halten Sie es mit aktivem Risikomanagement?

Jedes Risikomanagement, ob mit Absicherungen oder Steuerung der Investitionsquoten, bedingt eine Form von Market Timing. Market Timing funktioniert langfristig nicht, wie wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Bei jeder Aktion muss ich zweimal richtig liegen, beim Ausstieg und beim Wiedereinstieg. Ich steuere das über die Anlageklassen. Ich wähle Anlageklassen, die möglichst nicht gleichlaufen. Zugestanden, im vergangenen Jahr hat das mit Aktien und Renten nicht funktioniert, aber da war ich froh, dass ich Gold rein zur Diversifikation in den Portfolios hatte. Auch Rohstoffe sind generell als Diversifikation enthalten.

Wie sind sie denn angesichts des Verlustes von Aktien und Anleihen über das Jahr 2022 hinweggekommen?

Insgesamt sind wir ganz gut über das Jahr gekommen. Unsere Mandanten wissen natürlich, dass Märkte schwanken können, und sie empfinden in solchen Phasen auch Stress. Aber da ist es umso wichtiger, dass der Vermögensverwalter in engem Austausch mit seinen Mandanten bleibt. Ich habe 2022 insgesamt auch eher als Chance gesehen, weil ich so breit diversifiziert günstig nachkaufen konnte. Außerdem gibt es wieder Zinsen, so dass ich bezogen auf Endfälligkeit planbar Renditen einloggen kann. So haben wir mit unserem konsequent langfristigen Ansatz die Schwankungen gut gemeistert. Die Kunden verstehen, dass es immer auf die langfristigen Ziele ankommt.

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