Makro Research mit Dr. Ulrich Kater. |
USA im Fokus.

So überraschend es klingen mag: Es läuft zurzeit ganz gut in der Weltwirtschaft. Die befürchtete Rezession konnte bislang trotz der Liste an Risikothemen und der damit verbundenen Unwägbarkeiten für die globale Konjunktur vermieden werden. Die USA als wichtigste Volkswirtschaft stehen hierfür exemplarisch und in vielerlei Hinsicht im Fokus.

Maßgeblich bleibt die erfolgreiche Inflationsbekämpfung. Hier hat die amerikanische Notenbank Fed seit gut einem Jahr starke Zeichen gesetzt. Sie hat die Leitzinsen bis zuletzt in die Höhe getrieben und mit ihrer restriktiven Geldpolitik die Wirtschaft gebremst. Nicht zuletzt dank des robusten Arbeitsmarktes hält sich die Konjunktur indes tapfer. Die Inflationsraten werden Schritt für Schritt moderater, wenngleich die binnenwirtschaftliche Preisdynamik für den Geschmack der Fed weiterhin zu hoch ist. Somit sind Leitzinssenkungen erst im kommenden Jahr zu erwarten. Die geldpolitische Kehrtwende hat offenkundig auch Stress im Bankensektor verursacht. Bei den US-Regionalbanken grummelt es nach wie vor. Doch bislang konnten die gute Liquiditätsversorgung durch die Fed und das entschiedene Vorgehen der Aufsichtsbehörden eine unkontrollierte Vertrauenskrise im Finanzsektor verhindern.

Die USA stehen überdies mit ihren politischen Risiken im Fokus. Wieder einmal geht es um die Anhebung der Schuldenobergrenze. Da sich Demokraten und Republikaner recht unversöhnlich gegenüberstehen, also ein überparteilicher Kompromiss sich hier schwierig gestaltet, könnte die US-Regierung – und sei es auch nur vorübergehend – in Kürze zahlungsunfähig sein. In den vergangenen Jahrzehnten ist dies noch immer rechtzeitig abgewendet worden. Darauf setzen die Märkte auch jetzt. Doch der Weg zu einer Einigung ist erfahrungsgemäß mit Dramatik gepflastert.

2023 ist ein Jahr der Normalisierung in der Weltwirtschaft nach den extremen Schocks der vergangenen Jahre: Konjunkturschwankungen, Inflation, Zinsanstieg. Die Aktienmärkte sehen gegenwärtig gute Chancen, dass diese Normalisierung gelingt. Dazu tragen auch die überwiegend positiven Unternehmensmeldungen bei. Zudem hilft die Einschätzung, dass die Notenbanken das Ende der Leitzinserhöhungen weitgehend erreicht haben dürften. Nach einer mehrmonatigen Pause locken dann wieder Zinssenkungen am Horizont. Die USA und die Fed sind hier Vorreiter. Wir sehen die größere Wahrscheinlichkeit darin, dass sie der vielfältigen Risiken Herr werden und dass die Konjunktur mit einer sanften Landung den Belastungen trotzen kann. Insbesondere mit Blick auf 2024 nehmen viele Risiken schrittweise ab.

Konjunktur Industrieländer.

Deutschland

Die Stagnation des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal war nach den guten Konjunkturindikatoren für Januar und Februar eine Enttäuschung. Verantwortlich war ein Kollaps der Konjunkturindikatoren im März. Möglicherweise spielte dabei auch ein jahreszeitlich rekordhoher Krankenstand eine Rolle. Erfreulicherweise deuten die ersten harten Indikatoren für April auf eine Besserung hin. Bei den Stimmungsindikatoren dürfte nach der Aufwärtskorrektur der zu pessimistischen Erwartungen die tatsächliche Konjunktur wieder die entscheidende Rolle spielen, und die ist eher gedämpft.

Prognoserevision: Leichte Abwärtsrevision der Inflationsprognose.

Deutschland: Bruttoinlandsprodukt

Euroland.

Die Wirtschaft in Euroland hat im ersten Quartal 2023 lediglich um magere 0,1 % im Vergleich zum Vorquartal zugelegt. Unter den vier großen EWU-Ländern war die Entwicklung uneinheitlich. Italien und Spanien zeigten mit einem Wachstum um jeweils 0, % eine starke Dynamik in den ersten drei Monaten des Jahres. Dahinter lag Frankreich mit einem Plus von 0,2 %. Das Schlusslicht unter den vier großen Ländern in Euroland war Deutschland mit einer Stagnation des Bruttoinlandsprodukts. Für das laufende Quartal deutet sich keine Zunahme der europäischen Wachstumsdynamik an. Die hohe Inflation bleibt ein wichtiger Belastungsfaktor für die privaten Haushalte. Die Schnellschätzung der Inflationsrate ergab für den April einen leichten Anstieg von 6,9 % auf 7,0 %.

Prognoserevision: Aufwärtsrevision der BIP-Prognosen für 2023 und 2024, Abwärtsrevision der Inflationsprognose für 2023.

Euroland: Bruttoinlandsprodukt

USA.

Das Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Quartal mit 1,1 % gegenüber dem Vorquartal auf das Gesamtjahr hochgerechnet schwächer angestiegen als zuletzt erwartet. Insbesondere die Ausrüstungsinvestitionen haben weiter an Dynamik verloren. Der Volkswirtschaft geht langsam die zyklische Wachstumsluft aus, was geldpolitisch durchaus erwünscht ist. Die Inflationsraten sind zwar in der Tendenz rückläufig, aber noch zu hoch. Weiterhin kräftig entwickelt sich der Arbeitsmarkt dank einer überaus hohen Überschussnachfrage nach Arbeitskräften. Bislang steht die Entwicklung im Einklang mit unserem gedämpften Wachstumsausblick. Aber es gibt schwer einzuschätzende Risiken. Im Bankensystem ist der Stress weiterhin hoch. Das zweite Risikothema ist die noch ausstehende Einigung über eine Anhebung der Schuldengrenze des Staates.

Prognoserevision: Abwärtsrevision der BIP-Prognose für 2023 sowie der Inflationsprognose für 2023 und 2024.

USA: Bruttoinlandsprodukt

Märkte Industrieländer.

Europäische Zentralbank / Geldmarkt.

Die EZB betrachtet ihre Geldpolitik mittlerweile zwar als restriktiv, hält dies aber noch nicht für ausreichend, um in angemessener Zeit einen Rückgang der Inflation auf 2 % sicherzustellen. Wir erwarten daher erneute Zinsschritte von jeweils 25 Basispunkten im Juni und Juli. Danach dürfte die EZB die allmählich nachlassende Kerninflation und die schwache Kreditvergabe als hinreichende Belege ansehen, dass eine weitere Straffung nicht notwendig ist. Mit dem Beginn von Leitzinssenkungen rechnen wir jedoch erst in der zweiten Jahreshälfte 2024. Die EZB wird den Abbau ihrer Bilanz etwas beschleunigen, indem sie die Wiederanlage von Rückflüssen aus dem Wertpapierkaufprogramm APP ab Juli 2023 vollständig einstellt. Zudem dürfte sie nach dem Abflauen der Probleme im Bankensektor auch keine Überbrückungsmaßnahmen anbieten, um die heranrückenden Fälligkeiten der langfristigen Refinanzierungsgeschäfte TLTRO-III zu glätten. Dennoch werden die Überschussreserven noch für einige Zeit hoch genug bleiben, um die €STR- und EURIBOR-Sätze an den Einlagensatz zu koppeln.

Prognoserevision: Eine weitere Leitzinserhöhung im Juli.

EZB: Hauptfinanzierungsansatz

Rentenmarkt Euroland.

Nachdem die akuten Verwerfungen im Bankensystem nachgelassen haben, gehen die Marktteilnehmer zwar wieder davon aus, dass die EZB die Leitzinsen noch etwas weiter anheben wird. Gleichzeitig antizipieren sie aber bereits für das kommende Jahr ausgeprägte Leitzinssenkungen, was sich in einem stark inversen Verlauf am kurzen Ende der Bundkurve im Laufzeitbereich zwischen ein und zwei Jahren niederschlägt. Unseres Erachtens orientieren sich die Marktteilnehmer damit zu stark an den Leitzinserwartungen für die US-Notenbank Fed und unterschätzen die Persistenz der Inflation im Euroraum sowie die Reaktion der EZB hierauf. Ihre Leitzinserhöhungen in den kommenden Monaten und ihre begleitenden Kommentare sollten daher einen Anstieg der Renditen vor allem in den Laufzeitbereichen von zwei bis fünf Jahren zur Folge haben.

Bundesanleihen: Renditen in % p.a.).

Devisenmarkt: EUR-USD.

Der Wechselkurs hat sich seit Mitte April um die Marke von 1,10 USD je EUR gefestigt. Im Mai hat die US-Notenbank Fed voraussichtlich ihr Leitzinshoch erreicht. Demgegenüber dürfte die EZB noch zwei weitere, kleinere Zinsschritte vornehmen, sodass der US-Zinsvorsprung weiter abschmelzen wird. Die mittelfristigen Perspektiven für den Euro bleiben somit gut. Kurzfristig allerdings kann der US-Dollar noch Unterstützung erfahren, wenn die US-Risikothemen (Streit um die Anhebung der US-Schuldenobergrenze, anhaltende Probleme der US-Regionalbanken) nicht eskalieren. Dann dürfte sich die Markterwartung an die Fed weg von der Leitzinswende in diesem Jahr hin zu unserer Prognose der Leitzinswende ab Anfang 2024 verschieben. Die anhaltend starken US-Makrodaten wie der jüngste Arbeitsmarktbericht sprächen dafür.

Wechselkurs EUR-USD.

Aktienmarkt Deutschland.

Die gestiegenen Zinsen bremsen den Aufschwung, ohne ihn abzuwürgen. Dies signalisieren zum einen die zuletzt veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes, welche in der Kombination aus verarbeitendem Gewerbe und Dienstleistungen seitwärts tendieren. Zum anderen zeigen die Unternehmen eine hohe Widerstands- und Anpassungsfähigkeit. Dies hat sich in der gerade laufenden Quartalsberichterstattung bestätigt. Die Unternehmen kommen besser mit dem schwierigen Umfeld zurecht als zunächst erwartet worden war. Neben stabilen Unternehmensgewinnperspektiven werden die Kurse von einer nur durchschnittlich hohen Bewertung unterstützt. Dies wird die Märkte in Phasen erhöhter Verunsicherung, beispielsweise durch das Erreichen der US-Schuldenobergrenze oder der Ausweitung des Stresses bei US-Regionalbanken, wirksam stabilisieren. Diese Phasen sollten für Zukäufe genutzt werden, um an den mittel- und langfristigen positiven Perspektiven des Aktienmarktes partizipieren zu können.

Prognoserevision: Leichte Aufwärtsrevision der Kursziele.

Aktienmarktprognose

Unternehmensanleihemarkt Euroland.

Unternehmensanleihen haben, ähnlich wie die Aktienmärkte auch, die Schockwellen aus dem Bankensystem schnell wieder abgeschüttelt. Die Spreads für Financials sind allerdings noch leicht erhöht, und vor allem Nachranganleihen leiden unter der überraschenden kompletten Auslöschung der AT1-Anleihen der Credit Suisse. Eine kleine Überraschung lieferte die EZB bei ihrem jüngsten Zinsentscheid mit der Ankündigung, die bereits teilweise eingeschränkte Wiederanlage fälliger Wertpapierbestände aus dem Kaufprogramm APP ab der zweiten Jahreshälfte komplett einzustellen. Da aber ohnehin mit einer Verringerung der Käufe gerechnet worden war, hat sich die Meldung kaum mehr ausgewirkt. Die Spreads werden zudem von bisher recht erfreulichen Geschäftsberichten zum ersten Quartal unterstützt, wenn auch die Aussicht trüber wird.

iTraxx Europe (125)

Emerging Markets.

Märkte.

Vor dem Hintergrund des hohen Renditevorsprungs gegenüber den Euro-Rentenmärkten bauten vor allem mitteleuropäische und lateinamerikanische Währungen ihre Jahresgewinne gegenüber dem Euro aus. Dies führte dazu, dass sich Lokalwährungsanleihen in den vergangenen Wochen und im bisherigen Jahresverlauf besser entwickelt haben als Hartwährungsanleihen und Aktien. EM-Aktien konnten dagegen nicht nachhaltig von der Aufhebung der Corona-Restriktionen in China profitieren. Ein wichtiger Belastungsfaktor bleibt die Sorge vor einer weiteren Zunahme der geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA, wobei auch die Europäische Union ihre Kritik an China verstärkt. In den kommenden Monaten dürften Schwellenländeranleihen von hohen Renditen und der Aussicht auf eine Zinswende gestützt bleiben. Bei Schwellenländeraktien erwarten wir dagegen zunächst eine weiterhin abwartende Haltung der Investoren. In den kommenden Wochen kommt die Auseinandersetzung um die Anhebung der US-Schuldengrenze als ein Risikofaktor für die globalen Kapitalmärkte hinzu.

EMBIG-Spread

Szenarien.

Wir haben unsere Szenarien überarbeitet, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten jedoch unverändert gelassen.

Basisszenario (Wahrscheinlichkeit: 65 %)

Deglobalisierung, Demografie und Dekarbonisierung halten perspektivisch den Inflationsdruck hoch und dämpfen das globale Wachstum.

Regimewechsel am Kapitalmarkt durch dauerhaft höhere Zinsen.

Notenbanken erhöhen Leitzinsen bzw. halten sie auf hohem Niveau, bis Rückgang der Inflationsraten hinreichend weit vorangeschritten ist. Erste Leitzinssenkungen sind frühestens 2024 zu erwarten.

Weltwirtschaft durchläuft eine Schwächephase und wächst ab 2024 wieder kräftiger.

Wegen weiterhin zu hoher Inflation und wegen deutlich gestiegener Zinsen werden Geld- und Finanzpolitik bis auf Weiteres die Entwicklung von Wirtschaft und Kapitalmärkten nicht mehr so stützen können wie bisher.

Für Europa und die USA sind bis ins Jahr 2024 hinein schwaches Wachstum und zu hohe Inflationsraten zu erwarten.

In China begrenzen anhaltende Probleme wie die verstärkte staatliche Regulierung und die Korrektur im Immobiliensektor das Wachstum.

Aktienmärkte bewegen sich zunächst seitwärts mit hohen Schwankungen. Mittelfristig profitieren sie von globalem Wachstum und dem Umbau der Wirtschaft mit Blick auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Zinsen dürften tendenziell niedriger als Inflationsraten bleiben. Kaufkrafterhalt der Geldanlagen funktioniert am besten über breit gestreute Wertpapieranlagen, allerdings unter Inkaufnahme von Wertschwankungen.


Negativszenario (Wahrscheinlichkeit: 25 %)

Zu späte Einigung auf Anhebung der US-Schuldengrenze führt zu partiellem Zahlungsausfall von US-Staatsanleihen mit schwer kalkulierbaren Folgen für die globalen Kapitalmärkte.

Belastungen durch spürbar gestiegene Zinsen lösen eine globale Bankenkrise aus.

Zweitrundeneffekte bei der Inflation setzen Lohn-Preis-Spirale in Gang und führen zu anhaltend höheren Inflationsraten. Notenbanken sehen sich dadurch zu einer extrem restriktiven Geldpolitik gezwungen, die eine massive Rezession auslöst.

Dramatische Eskalation des Russland-Ukraine-Kriegs mit Ausweitung auf weitere Länder. Infrastruktur-Sabotage als Mittel der unkonventionellen Kriegsführung. Anhaltende Ost-West-Konfrontation verringert positive Wachstumswirkungen der Globalisierung.

Stark gestiegene Staatsverschuldung löst in Verbindung mit den spürbar gestiegenen Zinsen regionale bzw. globale Schuldenkrisen aus mit dem Risiko einer umfassenden Finanzkrise bzw. in Euroland einem erneuten Infragestellen der Währungsunion.


Positivszenario (Wahrscheinlichkeit: 10 %)

Inflationsraten gehen innerhalb kürzester Zeit zurück und bleiben dann im Bereich der Notenbankziele. Notenbanken können Zinsen schnell auf neutrale Niveaus zurücknehmen.

Einfrieren des Russland-Ukraine-Konflikts führt zu zügiger Beruhigung von Wirtschaft und Finanzmärkten.

Kräftige Gewinnanstiege der Unternehmen führen zu deutlichen Aktienkursanstiegen und wirken als Triebfeder für die Investitionsdynamik.

Überraschend starke Wachstumsdynamik in den Emerging Markets mit Schubwirkung für globale Wirtschaft.

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