Interview mit Kai Hattwich |
„Systematische Allokation erleichtert“

Die Quirin Privatbank AG setzt auf Honorarberatung und ETFs. Lead Portfoliomanager Kai Hattwich erläutert das Konzept der Vermögensverwaltung.

Seit unserem ersten Gespräch vor fünf Jahren hat sich einiges an den Märkten getan: Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation, massive Zinsanhebungen der Notenbanken. Hat sich Ihre bisherige Anlagephilosophie dadurch verändert?

Grundsätzlich hat sich unsere Anlagephilosophie bestätigt. Wir haben möglichst breit im Markt investiert, und das werden wir beibehalten. Aber natürlich haben wir auch auf die veränderte Zinslandschaft reagiert und unser Produktangebot erweitert. Wir bieten jetzt eine geldmarktnahe Vermögensverwaltung und damit bestehenden und neuen Kunden eine risikoarme Variante. Damit lässt sich auch gut ein Puffer für die Aktienbausteine der Vermögensverwaltung umsetzen, deren Aufstellung wir natürlich regelmäßig überprüfen und anpassen.

Sie hatten damals schon einen Robo-Advisor, also eine digitale Vermögensverwaltung. Wie hat die sich entwickelt?

Auch damit sind wir sehr zufrieden. In der Coronazeit hat die Nachfrage kräftig zugenommen. Und mit dem neuen Angebot der geldmarktnahen Variante gab es noch mal einen Schub. Wir spüren, dass der Bedarf an dieser Art der Vermögensverwaltung besonders bei den jungen Kundinnen und Kunden ausgeprägt ist, und dem wollen wir entsprechen.

Sie setzen sehr stark auf ETFs. Gilt das auch für den Geldmarkt?

ETFs sind für uns die bevorzugten Vehikel. Sie sind günstig. Sie erleichtern eine systematische Allokation der Bausteine. Wir vermeiden das Risiko diskretionärer Entscheidungen. Für uns ist so ein System verlässlich und gut handelbar. Das gilt auch für den Geldmarkt. Wir haben eine Mischung von Overnight-ETFs und länger laufenden, so dass wir im Durchschnitt die Rendite einer Duration von einem Monat bieten können.

Dann lassen Sie uns auf den ETF-Markt insgesamt schauen. Da hat sich in den vergangenen fünf Jahren auch viel getan: immer mehr Themenfonds, neuartige Anleihe-Vehikel, umfassende Filterung nach ESG-Kriterien. Alles sinnvolle Entwicklungen? Was nutzen Sie, was nicht?

Das hängt immer von den Augen des Betrachters und seiner Bedürfnisse ab. Der Markt insgesamt ist vielfältiger geworden, und das ist erst einmal gut. Aber natürlich ist er dadurch auch schwieriger zu navigieren. Professionelle Auswahl ist nötig, um einen Mehrwert zu erzielen. Themenfonds eigenen sich nur für den Satellitenansatz. Ich würde niemandem raten, darauf seinen Schwerpunkt der Vermögensanlage zu legen. In punkto Nachhaltigkeit ist das nochmal differenzierter. Da gibt es Ansätze, die ich als schwach empfinde, andere, die überzeugen. Umso wichtiger ist professionelles Management bei der Auswahl.

Und was ist mit Anleihefonds? Es gibt jetzt ja neuartige Produkte, die eine Laufzeitbegrenzung bieten, also das Anlegen auf Endfälligkeit ermöglichen.

Solche Produkte nutzen wir zurzeit noch nicht, aber ich sehe durchaus, dass sie für spezielle Anwendungsfälle Sinn ergeben.

Wie stark wird das Thema Nachhaltigkeit nachgefragt? Sie müssen es ja von vornherein in die Beratung mit aufnehmen.

Das tun wir auch. Aber was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet, da gibt es unterschiedliche Ansichten von Kundinnen und Kunden, aber auch von der Anbieterseite. Ich denke, man sollte gerade bei der Frage, was nachhaltig ist, den Kontext wissenschaftlicher Erkenntnisse beachten. Und nicht in Extreme fallen. Wir streben eine Symbiose von unterschiedlich strengen nachhaltigen Ansätzen an.

Viele Kundinnen und Kunden wollen eine nachhaltige Rendite. Bekommen Sie diese?

Wir sehen teilweise erhebliche Abweichungen bei ESG-gefilterten Produkten im Vergleich zum Markt insgesamt. Die sind nicht so stark wie bei aktiven Fonds, aber es gibt sie auch bei ETFs. Vieles wird sich bei längerer Haltezeit nivellieren. Ich denke, eine Alternative „Rendite oder Nachhaltigkeit?“ stellt sich so nicht. Kundinnen und Kunden können langfristig beides bekommen.

Wie wählen Sie die Fonds verschiedener Anbieter aus? Je geringer die Gebühren, desto besser?

Schön wäre es, wenn es so einfach wäre. Wir schauen immer die realen Ergebnisse im Vergleich zu einer Peer Group an. Also wie ist die Wertentwicklung, welche Ausschüttungen gibt es, wie groß sind die Abweichungen zum Index? Auch die Fondsgröße ist relevant. Dazu nutzen wir quantitative Auswertungen, die der Privatanleger oder die Privatanlegerin selbst nicht erstellen kann.

Der Markt der Exchange Traded Products umfasst auch viele Notes, also Produkte, die nicht wie Fonds diversifiziert sind. Ein Beispiel sind Kryptowährungen, die heftig schwanken, aber eben auch schnelle Gewinne versprechen. In den USA gibt es den ersten Bitcoin-ETF, der bei uns so wohl nicht zugelassen werden würde. Bieten Sie Interessierten Zugang zu Kryptowährungen?

Nein, das tun wir nicht. Wir beschränken uns auf klassische Wertpapierstrategien mit Aktien und Anleihen. Bitcoin & Co sehen wir sehr kritisch. In den Depots spielen sie keine Rolle.

Ein neues Produkt macht von sich Reden: European Long Term Investment Funds, kurz ELTIF. Sie sollen ein Engagement in Infrastrukturprojekte ermöglichen. Eine gute Ergänzung?

Grundsätzlich ist so etwas von der Idee her interessant um geeigneten Kundinnen und Kunden den Zugang zu Alternativen Investments zu erleichtern. Für unsere Kernstrategien sind diese Instrumente aufgrund der vergleichsweise geringen Liquidität ungeeignet. Doch ich will nicht ausschließen, dass solche Produkte für unsere Satelliten-Bausteine infrage kommen, wenn der Markt breiter wird.

Wie stellen Sie sich jetzt für 2024 auf? Welche Risiken, welche Chancen sehen Sie?

Da muss ich Sie enttäuschen. Wir agieren prognosefrei. Wir glauben nicht, dass wir klüger sind als der Markt. Deshalb ändert sich an unserer langfristigen Ausrichtung nichts.

Aber Anleihen werfen wieder Zinsen ab. Da kann man diese doch als Puffer nutzen und in anderen Anlageklassen etwas risikoreicher agieren.

Als Risikopuffer sind Anleihen immer interessant. Aber nun pauschal mehr ins Risiko zu gehen, da bin ich skeptisch. Alles hat seine Kehrseite, denken Sie nur an die gestiegenen Refinanzierungskosten von Unternehmen. Das könnte die Bonität verschlechtern und sich auch negativ auf einen vermeintlich sicheren Puffer auswirken. Es bleibt dabei, wer Risiken eingeht, sollte möglichst breit investiert sein. Wer möglichst wenig Risiko will, ist zurzeit im Geldmarkt gut aufgehoben.

Wir agieren prognosefrei. Wir glauben nicht, dass wir klüger sind als der Markt.

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