Kolumne Dr. Bernhard Jünemann |
Alternative Geldmarkt?

Wer aktiv investiert, also kauft, verkauft und nicht immer einfach nur hält, muss auch immer mal Geld parken, bevor er ein neues passendes Engagement findet. Das gilt für professionelle wie für private Anleger. Während die Profis dazu den Geldmarkt nutzen, begnügen sich die meisten Privatanleger mit Giro- oder Tagesgeldkonten. Bis vor Kurzem war das keine Freude. Denn weder auf dem Geldmarkt noch mit Tagesgeldkonten war angesichts der Null- oder sogar Negativzinsen etwas an Rendite zu holen. Das hat sich deutlich geändert, seitdem die Notenbanken kontinuierlich ihre Leitzinsen anheben, die EZB inzwischen auf 4,5 Prozent.

Der Geldmarkt hat sich unmittelbar angepasst. Bei den Tagesgeldkonten für Privatanlegerinnen und -anleger dagegen findet die Anpassung nur, sagen wir es euphemistisch, zögernd statt. Zwar gibt es erste Tagesgeldkonten, die vier Prozent bieten, aber die meisten Banken und Sparkassen locken zwar Neukunden mit Angeboten von drei Prozent und mehr, belassen indes die Verzinsung für bestehende Kunden unter einem Prozent. Das kritisieren Verbraucherschützer zu recht, denn die Kreditinstitute könnten höhere Renditen allein durch ein Engagement am Geldmarkt finanzieren.

Kein Wunder, dass der professionelle Geldmarkt auch für private Anleger und Anlegerinnen attraktiver wird, zumal sie durch ETFs leicht Zugang erhalten. Diese lassen sich jederzeit an der Börse kaufen und verkaufen. Insgesamt 15 solcher Geldmarkt-ETFs listen die einschlägigen Vergleichsportale für Deutschland auf. Doch wie immer bei dem reichhaltigen ETF-Angebot muss man die Produkte vergleichen. Das ist zugegebenermaßen bei Geldmarktfonds etwas schwieriger nachzuvollziehen als für die typischen Aktien- oder Anleihen-ETFs. Es gibt unterschiedliche Referenzzinssätze und spezielle Indizes, deren Inhalte sich nicht so leicht erschließen. Da muss man also genau hinschauen.

So gibt es zum Beispiel Produkte, die als Basiswert die Euro-Short-Termin-Rate (€STR) haben. Die wird von der EZB berechnet und ist der Zinssatz, zu dem Banken für eintägige Geschäfte untereinander handeln. Aktuell beträgt der €STR rund 3,9 Prozent. Andere Produkte bilden den Geldmarkt mit Hilfe eines Index für Anleihen mit kurzer Restlaufzeit ab wie zum Beispiel der Deutsche Börse EUROGOV® Germany Money Market Index, den die Deka für ihren Geldmarkt-ETF nutzt.

Für viele Anlegende ist die Replikationsmethode wichtig. €STR-ETFs sind überwiegend Swap-basiert, während Fonds mit kurzlaufenden Anleihen physisch nachgebildet werden. Zurzeit bieten €STR-Produkte ein paar Basispunkte an Rendite mehr. Dann gibt es ETFs, deren Referenz sich auf Zinssätze der USA oder Großbritanniens beziehen und die in den entsprechenden Heimatwährungen Dollar oder Pfund notieren. Die Renditen sind zurzeit deutlich höher als bei Euro-Fonds, können im laufenden Jahr sogar mehr als fünf Prozent erreichen. Jedoch sollte man das Wechselkursrisiko nicht außer Acht lassen. Schließlich gilt es zu klären, ob es ausschüttende oder thesaurierende Fonds sein sollen. Beide sind im Angebot. Auch ein Blick auf die TER, die Gesamtkostenquote, kann sich lohnen. Sie rangiert zwischen 0,05 und 0,15 Prozent.

Fast alle gelisteten ETFs lassen sich auch mit einem Sparplan kombinieren. Ob das über mehrere Jahre hinweg sinnvoll ist, darf man bezweifeln. Denn wenn die Notenbanken ihren Zinsgipfel erreicht haben und die Leitzinsen senken, schmilzt auch die Geldmarktrendite zusammen. Es drohen Verluste. Portfolios mit länger laufenden Anleihen dürften dagegen sogar Kursgewinne generieren.

Überhaupt sollte man sich klarmachen: Auch das beste Geldmarktprodukt schlägt zurzeit nicht die Inflationsrate. Um das zu schaffen, sind weiterhin Aktienrenditen nötig, wenn auch mit erhöhtem Kursrisiko. So bleibt der Geldmarkt das, was er immer war: ein guter Parkplatz, allerdings nicht ganz unfallfrei.

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