Kolumne Dr. Bernhard Jünemann |
Bereit zu mehr Risiko – aber mit Puffer

Zum Jahreswechsel gab es keinen Mangel an Prognosen für das Anlagejahr 2024. Die Mehrheit war klar positiv und natürlich gab es auch ein paar warnende Worte, dass die Rallye bereits überzogen sei. Prognosen sind wichtig, weil sie helfen, Erwartungen zu formulieren und Anlageentscheidungen zu formen. Dennoch bleibt die Erfahrung aller Börsenjahre: Verlassen darf man sich nicht darauf.

Auch wenn schon einiges vorweggenommen wurde, das große Bild bleibt intakt. Der Zinsgipfel ist erreicht und tendenziell werden die Notenbanken im Laufe des Jahres 2024 ihre Leitzinsen senken. Die Bremseffekte hoher Zinsen werden aber in der Konjunktur spürbar bleiben und die Gewinndynamik häufig noch bremsen. Bisher hat die Wirtschaft dieses Umfeld ganz gut gemeistert, auch die schwierige Situation durch verschiedene Kriege. So ist zunächst davon auszugehen, dass die Weltwirtschaft solide mit Wachstumsraten von 2,5 Prozent laufen wird. Deutschland und Europa werden eher schwächer wachsen, Amerika eher ein bisschen besser.

Das ist für die Geldanlage kein schlechtes Umfeld und sollte Aktien wie Renten begünstigen. Die Investoren können meiner Ansicht nach durchaus stärker ins Risiko gehen als bisher. Sollte es Rückschläge geben, müssen sie aber immer einen Puffer vorhalten. Das gelingt in diesem Umfeld wieder etwas leichter mit Engagements in Anleiheprodukten. Zurückgehende Inflation und Leitzinsen dürften zu Kursgewinnen führen.

Über alle Prognosen hinweg ist es ratsam bewährte Anlagestrategien zu verfolgen. Für ETF-Anlegerinnen und -Anleger ist das vor allem eine individuell angepasste Kern- und Satellitenstrategie. Im Kern liegen die ruhigen und soliden Investitionen. Das kann ein internationaler Weltindex sein, wie der MSCI World. Der hat in den vergangenen 15 Jahren jedes Jahr mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen und eignet sich als Daueranlage. Dazu kommen dann europäische und internationale Anleiheprodukte längerer Laufzeit. Manche Strategen propagieren gerne das Verhältnis 50 zu 50. Aber das muss nicht sein, sondern darf je nach individueller Risikotragfähigkeit gestaltet werden. Auch breite Dividenden-ETFs bieten sich für den Kern an. Darin sind Firmen enthalten, die seit Jahren hohe, solide Ausschüttungen bieten und mithin in Zeiten von heftigen Kursschwankungen Ertragsstabilität bieten.

Um den soliden Kern herum gibt es genug Gelegenheiten für die Satelliten, die oft höhere Chancen bieten, aber auch höhere Risiken bergen. Damit sollte in der Regel auch flexibler agiert werden, oft auch antizyklisch, wenn sich aufgrund von Kursrückschlägen reizvolle Gelegenheiten ergeben.

Auf jeden Fall sollten Nebenwerte im Blick sein. Sie sind zurzeit noch recht günstig bewertet. Auch lassen sie sich mit dem Aspekt Technologie kombinieren. Tech-Werte sind zwar gut gelaufen, aber angesichts dessen, was in diesem Sektor an Aufbruch passiert, weiterhin interessant. Zum Thema KI erwarte ich weiterhin disruptive spannende Entwicklungen.

Was die regionale Ausrichtung betrifft, so dürften vor allem die USA und Europa im Fokus stehen. Die Emerging Markets haben 2023 enttäuscht. Das liegt zum Teil an China, wo die Wirtschaft wegen der rigorosen Pandemiebekämpfung, ideologischen Politik und des überzogenen Immobilienmarktes deflationäre Tendenzen zeigt. Zwar ist möglich, dass die Regierung ein massives Programm zur Stimulierung auflegt und chinesische Aktien wieder in Schwung kommen. Aber darauf sollte nur setzen, wer sich auch schnell wieder davon verabschieden kann, wenn es nicht funktioniert.

Die Börse hat immer recht – manchmal auch der Spekulant.

Und was ist mit der Nachhaltigkeit? Es gibt ja inzwischen fast jeden breiten Index auch als ESG gefilterte Variante. Wer dem ethischen Anspruch entsprechen will, kann zugreifen. Renditenachteile muss man kaum befürchten. Aber Nachhaltigkeit schützt nicht vor Schwankungen. Nehmen Sie nur sogenannte Impact-Investments wie Clean Energy, die in einem Jahr boomen, aber im nächsten wieder dicke Verluste einfahren.

Über das ganze Prognosefeuerwerk zum Jahresbeginn können Sie als ETF-Anlegerin oder -Anleger gelassen bleiben. Stellen Sie sich so auf, dass Sie auf alles vorbereitet sind, positive wie negative Überraschungen. Bleiben Sie flexibel und denken daran: „Die Börse hat immer recht – manchmal auch der Spekulant.“

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