Interview mit Frank Mohr |
„Generation ETF-Sparplan kommt“

Frank Mohr ist Head ETF Sales Trading bei der Société Générale in Frankfurt und verantwortet eines der größten Market-Maker-Geschäfte Europas. Er analysiert die Tendenzen und die Wachstumstreiber auf dem Markt der Indexfonds.

2022 war ein ziemliches wildes Jahr. Der DAX fiel auf 12.000 Punkte zurück. Verglichen damit lief 2023 deutlich ruhiger, wenn auch nicht ohne Bewegung. Wie entwickelte sich der Handel mit ETFs?

Für uns als Market Maker sind immer die gehandelten Volumina entscheidend. Da gab es Anfang des Jahres ordentlich Bewegung, bedingt durch die Befürchtungen von weiteren Zinsanhebungen durch die Notenbank. Danach wurde es ziemlich ruhig. Im Herbst zog der Handel an und im November mit der Spekulation, dass der Zinsgipfel erreicht sein könnte, gab es deutlich mehr Nachfrage. Insgesamt war 2023 für den ETF-Handel ein sehr ordentliches Jahr.

Was stand im Fokus der Anlegerinnen und Anleger, zunächst bei den Aktien?

Am meisten gehandelt wurden Produkte mit US-Underlyings, vor allem also der S&P 500 oder die Nasdaq-Indizes. Dabei war das starke Wirtschaftswachstum ein Treiber. Dagegen bremsten die Befürchtungen um den amerikanischen Haushalt und einem möglichen Shutdown die Entwicklung und führten wiederum zu Abgaben. Große Nachfrage sahen wir ebenfalls in den großen Welt-Indizes, die in erster Linie von dem breiten Retail-Publikum, zum Vermögensaufbau genutzt werden.

2023 konnte man auch wieder mit Zinserträgen verdienen. Was wurde dazu am ETF-Markt nachgefragt?

Das wirkte sich vor allem bei den Geldmarktfonds aus, bei denen jahrelang nichts los war. ETF Anbieter mit einem entsprechenden Angebot konnten damit sehr schnell neues Geld einsammeln. Geholfen hat auch, dass die Banken bei den Tagesgeldkonten die Zinsen nur sehr langsam angehoben haben. Wenn Retail-Kundinnen und Kunden mit einem Geldmarktfonds um die drei Prozent verdienen können, war nur folgerichtig, dass sie da zugegriffen haben.

Wie sah es bei klassischen Anleihe-Produkten aus?

Auch da hat die Nachfrage zugenommen, zunächst bei den Kurzläufern, die von einer möglichen weiteren Zinserhöhung nicht so stark betroffen gewesen wären. Anleihe-ETFs wurden generell stärker von den Anbietern in den Fokus gestellt und das Angebot ausgeweitet. Aber an der üblichen Aufteilung im Handel der ETFs, zwei Drittel Aktien, ein Drittel Anleihen, hat sich nicht viel geändert. Das hängt auch damit zusammen, dass Investierende, die mit Aktien ETFs gut zurechtkommen, bei Anleihen immer noch sehr stark in die unterliegenden Bonds investieren. Daher ist noch einiges an Aufklärungsarbeit notwendig, um den Einsatz von Bond-ETFs zu erklären.

Wie verhalten sich Asset Manager und Vermögensverwalter, die ja mit einem verzinsten Anleihepuffer jetzt wieder besser Risikomanagement betreiben können?

Auch das ist ein Grund für die stärkere Nutzung von Anleihen und Anleihen-ETFs. Das spüren wir. Aber wenn man die Anleihen-ETFs in Beziehung setzt zum Anleihemarkt insgesamt, dann ist der Anteil immer noch überschaubar. Er müsste eigentlich deutlich größer sein.

Es sollte sich doch herumgesprochen haben, dass man mit ETFs kleinteiliger agieren kann als mit klassischen Anleiheemissionen. Das wäre doch ein Vorteil für die Indexprodukte? Aber dagegenspricht, dass man anders als bei Anleihen mit klassischen ETFs nicht so leicht mit Buy & Hold auf Endfälligkeit spekulieren kann.

In der Tat ist die Kleinteiligkeit von ETFs in vielen Fällen ein Vorteil. Dazu kommt, dass die Anbieter die Schwierigkeiten mit Buy & Hold erkannt haben. Und schon sind wir bei neuen Produkten. Was es in den USA schon seit längerem gibt, kam im vergangenen Jahr auch bei uns auf den Markt: sogenannte Laufzeiten-ETFs. Damit können Investierende auf Endfälligkeit investieren. Das ist eine ganz spannende Neuentwicklung. Nach unseren Statistiken sind darin bereits deutlich mehr als 1,5 Milliarden Euro investiert.

Wenn man mit Vermögensverwaltende spricht, dann propagieren die gerne antizyklisches Investieren. Spüren Sie das?

Das haben wir in Phasen heftiger Bewegungen in der Tat immer wieder gemerkt. Das antizyklische Investieren kann sehr schnell mit den hochliquiden ETFs umgesetzt werden. Solche Phasen haben uns dann sehr hohe Umsätze gebracht.

Noch mal weiter zu neuen Produkten. Was hat sich sonst getan?

Neben den bereits genannten Laufzeiten-ETFs, die eine wirkliche Neuentwicklung sind, wurden verstärkt sogenannte aktive ETFs genutzt. Aktiv ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Die dahinter liegenden Indizes werden angepasst, aber nicht regelbasiert, sondern diskretionär. Dabei fließt in der Regel die Research-Meinung eines ETF-Hauses in die Zusammensetzung ihrer ETFs ein. Dann gibt es das weite Feld der Themen-Fonds. Da ist es etwas ruhiger geworden, was Handel und Produktneuheiten angeht. Man hat wirklich den Eindruck, dass es kaum noch Themen gibt, die nicht abgedeckt sind.

Was ist mit dem Megatrend Nachhaltigkeit? Man hat den Eindruck, gefiltert wird alles, was nur irgendwie geht. Ein echter Boom?

Da muss man genau zwischen den Nachfragegruppen unterscheiden. Die wirklich großen Asset-Manager, Pensionskassen und Institutionell Anlegende haben eigene Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt, oft mit besonderen Ausschlusskriterien. Deren Bedürfnisse können nicht so leicht mit ETFs abgedeckt werden. Aber im Bereich der kleineren und mittleren Asset-Manager und Vermögensverwaltungen werden gerne ESG gefilterte ETFs eingesetzt. Damit können sie das Thema wunderbar einfach gestalten.

Geklagt wird jedoch, dass die genutzten ESG-Kriterien oft sehr willkürlich sind und niemand so recht weiß, ob solche Fonds das Klima auch schützen. Was spüren Sie an Unsicherheit?

Da gab es am Anfang einen richtigen Hype. Jetzt merken viele Anlegerinnen und Anleger, dass es nicht so einfach ist, die Nachhaltigkeitsanforderungen mit ETFs abzudecken. Insgesamt ist der Handel mit solchen Produkten deutlich ruhiger geworden. Das sieht man auch bei den sogenannten Impact-Investments, also Fonds, die unmittelbar klimafreundliche Wirkungen auslösen wollen. Ich denke, dass der typische ETF dafür nicht sehr geeignet ist. Das dürfte besser mit speziellen Direktinvestments umzusetzen sein.

Kommen wir zu den Kosten. In den USA gibt es immer mehr ETFs mit Null Management-Gebühren. Kommt das verstärkt auch bei uns?

Das sehe ich kritisch. Wenn es keine Managementgebühren gibt, muss das Geld irgendwie anders verdient werden. Das hatten wir schon vor ein paar Jahren in Deutschland. Da waren es eben die Swap-Gebühren, an denen verdient wurde. Das ist auch in den USA nicht anders, vor allem wenn Broker und ETF-Anbieter in einer Hand sind. Diesen Null-Trend sehe ich in Deutschland nicht.

Aber die Kosten sinken vielfach.

Klar, der Druck zur Kostenreduktion ist weiterhin da. Aber der hat Grenzen, wie eine Statistik aus Großbritannien zeigt. Danach sind die Hälfte der dort aufgelegten ETFs nicht mehr kostendeckend. Hier und da ein paar Basispunkte können drin sein, aber kein massiver Rückgang.

Welche Erwartungen haben Sie an das Jahr 2024?

Bisher hieß es doch zur Entwicklung des ETF-Marktes: Jedes Jahr plus 20 Prozent. Das hat in den vergangenen Jahren auch bis auf wenige Ausnahmen immer gestimmt. Und das erwarte ich auch für 2024. Besonders der Retailmarkt wird der Treiber sein. Jeder Anbieter hier in Deutschland propagiert einfache Sparpläne, die werden nachgefragt. Sie müssen sich nur anschauen, was dabei im Netz los ist. Die jungen Leute werden mit Sparplänen groß, sie sind sozusagen die „Generation ETF-Sparplan“. Das wird für weiteres Wachstum sorgen. Das ist in anderen Ländern, in Großbritannien oder Frankreich längst nicht so ausgeprägt. In Frankreich zum Beispiel versucht man, ETF-Sparpläne mit recht teuren Versicherungsverträgen zu kombinieren, nicht ideal für diejenigen, die einfach nur sparen wollen. So schaut man in anderen Ländern inzwischen auf Deutschland als Vorreiter von kostengünstigen Sparplänen. Da kommt einiges europaweit in Bewegung.

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