Interview
„ETFs sind unentbehrlich geworden“
Die Greiff capital management AG ist für seine Analysen zur Auswahl aktiver Fondsmanager sowie eigener aktiver Fonds bekannt. Markus Kaiser, Pionier der Nutzung von ETFs für Anlagestrategien in Deutschland, fungiert dort nun als Geschäftsführer der Greiff Research Institut GmbH. Er spricht über Trends und Tendenzen der Branche und die Auswirkungen auf die Greiff-Strategien.
Beginnt bei Greiff eine neue Ära mit passiven Instrumenten?
Ja, denn niemand in der Finanzwelt sollte ETFs heute noch ignorieren. Der ETF-Markt wächst überproportional und die Performance der Produkte überzeugt seit Jahren. Für professionelle wie auch private Anleger sind ETFs unentbehrlich geworden. Ich selbst setze ETFs seit mehr als zwanzig Jahren im Management von aktiven Strategien ein. Genau das ist auch der Ansatzpunkt für meinen Einstieg bei Greiff. Ich führe die bestehenden Fonds und Mandate zusammen mit meinem Teamkollegen Andreas Krauss unter dem Dach von Greiff weiter und wir werden das Fonds-Research um unser ETF-Know-how erweitern.
Hilft dieses Know-how auch aktiven Managern?
Ja, davon bin ich überzeugt. Selbst klassische aktive Manager nutzen zunehmend ETF-Bausteine für ihre taktische Allokation. Mit ETFs können sie kurzfristig Märkte abdecken, für die beispielsweise keine Auswahl von Einzelwerten vorgenommen wird. Die passiven Bausteine eignen sich ideal, um die Allokation von Anlageklassen sehr schnell anzupassen. Deshalb sollten sich auch aktive Manager mit ETFs befassen.
Nun gelten ETFs als äußerst transparent und einfach in der Konstruktion. Ist dafür ein eigenes Research nötig?
Der Markt ist inzwischen riesengroß. Allein in Deutschland gibt es mehr als 1500 ETFs, die den Investoren zur Verfügung stehen. Wer sich nicht intensiv mit den Produkten, mit den Indizes und dort enthaltenen Aktien und Anleihen beschäftigt, kann schwerwiegende Fehler machen. Die Frage lautet daher: Welcher ist der richtige ETF für die taktische und strategische Positionierung in einem Portfolio?
Gibt es da noch so große Unterschiede zwischen den Produkten und Anbietern? Man hat oft den Eindruck, das beschränkt sich auf ein paar Basispunkte mehr oder weniger.
Zugegeben, der intensive Wettbewerb hat dazu geführt, dass die Unterschiede geringer geworden sind und die Abbildungsqualität ist generell gestiegen. Dennoch gibt es im Vorfeld einer Investition viele Punkte zu prüfen. Nehmen Sie nur die Qualität des zugrundeliegenden Index. Ist der Index diversifiziert oder gibt es Klumpenrisiken? Wie liquide ist der ETF tatsächlich im Handel? Wann ist der beste Kauf- oder Verkaufszeitpunkt? Da kann es zu erheblichen Unterschieden kommen, je nachdem, ob die Heimatmärkte der Indizes geöffnet oder geschlossen sind.
Kann man also nur dann handeln, wenn zum Beispiel der japanische Markt geöffnet ist? Dann wäre ja morgens bei uns schon Schluss mit dem Kauf von Japan-ETFs?
Nein, ganz so streng ist das nicht. Bei liquiden Märkten wie Japan stehen zum Beispiel Futures zur Verfügung, die den ganzen Tag weltweit gehandelt werden und über die sich die Market Maker hedgen können. Grundsätzlich ist es aber von Vorteil, dann zu handeln, wenn die entsprechenden Märkte geöffnet sind. Dann steigt die Zahl der aktiven Marktteilnehmer und darüber verbessert sich auch die Liquidität. Nordamerika-ETFs handelt man am besten nachmittags, wenn dort die Börsen offen sind.
Zum Thema Kosten: Die sind in den letzten Jahren generell gesunken, und die Managementgebühren haben sich weitgehend angeglichen.
Richtig, allerdings muss man die ausgewiesenen Kosten immer mit der Abbildungsqualität in Beziehung setzen. Und dabei zeigt sich schnell mal, dass ein ETF, der günstig erscheint, nicht unbedingt die erste Wahl sein muss. Deshalb bedürfen die Kennzahlen einer genauen Analyse.
Bei Standardindizes scheinen sich die Abweichungen in Grenzen zu halten. Aber wie sieht es bei Strategie-ETFs, den sogenannten „Smart Beta-Produkten“ aus? Oder bei den Themen-ETFs? Kaum gibt es einen neuen Modetrend, wird schon ein entsprechender ETF aufgelegt. Aber die Indizes sind manchmal so eng, dass das Gebot der Diversifikation leidet.
Viele dieser Produkte sind nicht als Basisanlagen geeignet, sondern nur als Beimischung. Da gilt es – insbesondere bei Themen-ETFs – genauer hinzuschauen und die Chancen und Risiken abzuwägen.
Der neueste Trend heißt Nachhaltigkeit: ESG, SRI, Ausschlusskriterien oder Best-in-Class. Wie gehen Sie damit um?
Ganz klar, beim Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel spielt die Musik. Die Zuwächse der letzten zwölf Monate in diesem Segment sind unglaublich. Gerade der Wandel zu nachhaltigeren Produkten bedarf einer genauen Analyse. Neben Unterschieden in den Ansätzen geht es wie immer auch um die Performance im Vergleich zu klassischen Produkten. Gibt es Renditenachteile oder sogar -vorteile? Zuletzt sind viele ESG-ETFs besser gelaufen als die Standardprodukte, kein Wunder bei der anhaltend starken Nachfrage. In einer anderen Marktsituation könnte sich das aber auch wieder ändern.
Und manchmal hat man den Eindruck, dass manche ETFs Greenwashing betreiben. Da steht ESG oder SRI drauf, aber bei genauem Hinsehen gibt es in punkto Nachhaltigkeit Defizite oder sagen wir, eigenwillige Einordnungen.
Daran scheiden sich in der Tat die Geister. Und schon definiert sich ein weiterer Ansatz für Research. Zudem ist das Angebot nachhaltiger ETFs noch überschaubar, so dass rein nachhaltig ausgerichtete Anlagestrategien gewisse Einschränkungen mit sich bringen. Hier heißt es genau hinzusehen. Gleichwohl werden nachhaltige Strategien künftig auch für Greiff ein wichtiger Baustein in der Angebotspalette darstellen.
Mit Einzelanleihen war man praktisch handlungsunfähig. Mit ETFs hingegen konnte man – wenn auch zum Teil mit großen Spreads – aufgrund der breiten Diversifikation im Fonds jederzeit aktiv handeln.
In manchen Veröffentlichungen werden ETFs nicht nur als transparent und kostengünstig beschrieben, sondern auch als tendenziell gefährlich und krisenverstärkend. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Positiv, denn ETFs haben sich aller Kritik zum Trotz in Krisenzeiten bereits mehrfach bewährt. Grundsätzlich sollten Portfoliomanager in Krisenzeiten kontrolliert agieren. Nehmen wir nur die jüngsten Erfahrungen aus der Corona-Krise im vergangenen Jahr. Zunächst die gute Nachricht: ETFs waren jederzeit handelbar. Doch es gab auch erhebliche Ausreißer nach oben und unten. Einzelne ETFs konnte man zeitweise nur mit einem Aufschlag (auch „Prämie“ genannt) erwerben, bei anderen boten starke Abschläge („Discount“) ideale Kaufgelegenheiten für Schnäppchenjäger. Letztlich sind ETFs immer von der Liquidität der Underlyings abhängig. Steigt die Volatilität, weiten sich die Spreads bei den Underlyings und ETFs aus. Im Falle von Anleihen trocknete der Markt jedoch regelrecht aus. Mit Einzelanleihen war man praktisch handlungsunfähig. Mit ETFs hingegen konnte man – wenn auch zum Teil mit großen Spreads – aufgrund der breiten Diversifikation im Fonds jederzeit aktiv handeln.
Die Corona-Krise, die ja schnell an den Börsen überwunden wurde, hat verstärkt auch Fragen aufgeworfen, wie gut die Strategien mit ETFs sind, die Sie in Ihren Dachfonds verfolgen. Sie nutzen quantitative trendfolgende Konzepte. Die haben aber in den sogenannten V-Formationen – schnell runter und schnell wieder rauf – nicht gut performt. Was nun, Herr Kaiser?
Anlagestrategien mit aktiver Risikobegrenzung, wie wir sie verfolgen, funktionieren sehr gut in längeren Baissephasen, so wie während der Finanzkrise 2008. Damit ließen sich seinerzeit die großen Verluste aktiv vermeiden. Leider weiß man vorher nie, was wirklich passieren wird, wenn sich ein Trendwechsel einstellt, man muss aber konsequent handeln. Die letzten Marktkorrekturen waren immer sehr kurzlebig. Da kamen wir in der Regel rechtzeitig raus aus den Märkten, beim Wiedereinstieg waren wir als Trendfolger aber oft zu spät. Deshalb haben wir eine antizyklische Komponente in unsere Anlagestrategien implementiert. Sie soll einerseits vor plötzlichen Rückschlägen schützen, wenn Märkte euphorisch nach oben überschießen, aber genauso den frühzeitigen Wiedereinstieg ermöglichen, wenn Panik ausbricht und die Kursreaktionen nach unten übertrieben werden, so wie im März letzten Jahres. Die Komponente greift übrigens derzeit, so haben wir nach den starken Kurssteigerungen der vergangenen Wochen damit begonnen, die Risiken aktiv zu reduzieren.
Geschieht das diskretionär? Eigentlich verfolgen Sie doch ein quantitatives Konzept.
Und dabei bleiben wir auch. Ich stehe mit meinem Team für regelbasiertes Investieren, daher haben wir die antizyklischen Kriterien ebenfalls quantifiziert und auf dieser Grundlage in das Regelwerk integriert.
Was geschieht mit den Stars-Fonds, die Sie bei StarCapital gemanagt haben?
Die Fonds werden in Kürze zur Greiff capital management AG übertragen. Derzeit sind wir noch in der Übergangsphase und arbeiten weiter eng mit StarCapital zusammen.
Wie sieht dann zusammenfassend die ETF-Zukunft bei Greiff aus?
ETFs gewinnen bei institutionellen und privaten Anlegern weiter an Bedeutung. Allein im Krisenjahr 2020 ist das Volumen um 35 Milliarden Euro in Europa gewachsen, überwiegend mit dem Thema Nachhaltigkeit. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage bei ETFs weiter überproportional zulegen dürfte. Bei Greiff geht es uns jetzt darum, neben dem Research auch neue, innovative Anlagestrategien mit ETFs für unterschiedliche Anlageziele zu entwickeln. Da haben wir einiges vor.