Interview
„Bewährungsprobe mit Bravour bestanden“
Morgan Stanley fungiert als Market Maker für Aktien-ETFs der Deka Investment. Johannes Kirchmeir, Executive Director und verantwortlich für das ETF Geschäft, analysiert aktuelle Trends und Tendenzen für das neue Jahr.
Welche Dienstleistungen bietet das Market Making von Morgan Stanley für ETFs und wie sind Sie im Konkurrenzumfeld positioniert?
Morgan Stanley ist die globale Nummer Eins für den Handel mit Aktien. Dabei spielen auch ETFs eine immer wichtigere Rolle. Gleichzeitig ist Frankfurt für Morgan Stanley die neue Zentrale innerhalb der Europäischen Union, dementsprechend wollen wir auch in Deutschland kräftig wachsen. Die neue Partnerschaft mit Deka Investment ist ein wichtiger Schritt dazu. Wir bieten die gesamte Palette, sind also ein Full-Service-Anbieter. Dazu gehört das Market Making, bei dem wir Liquidität zur Verfügung stellen. Aber wir beraten auch bei der Auswahl der ETFs, der Umsetzung in Portfolios und deren Steuerung.
Nun war 2020 ein Jahr der Extreme. Wie haben Sie vor allem die Zeit des Pandemie-Crashs im März dieses Jahres gemeistert?
In der Tat, 2020 war in jeder Hinsicht ein außergewöhnliches Jahr, und es war wiederum eine Bewährungsprobe für die ETFs. Und die haben sie mit Bravour bestanden. Auch in den schwierigsten Tagen im März konnten die Anleger jederzeit handeln, ob sie nun Risiko rausnehmen oder eingehen wollten. Richtig Stress gab es vor allem bei vielen Unternehmensanleihen, in denen die Spreads sehr weit auseinandergingen und der Handel praktisch zum Erliegen kam. Im Unterschied dazu hat der Handel mit den entsprechenden ETFs recht problemlos funktioniert. Nach diesen Erfahrungen kann man sagen, dass ETFs sogar oft liquider sind als das Underlying. Und das stärkt die Funktion der Märkte.
Wie war das dann danach in der oft hektischen Aufwärtsbewegung? Teilweise gab es sogar Kaufpanik.
Die Abwärtsbewegungen sind in der Regel sehr viel heftiger und brutaler. Die Aufwärtsbewegungen laufen langsamer, auch wenn es mal an einigen Tagen sehr hektisch zugehen kann. Für uns als Market Maker war das aber normales Geschäft und kein Vergleich zu der Corona-Panik.
Gab es Unterschiede zwischen dem Börsenhandel von ETFs und den OTC-Geschäften?
Der Börsenhandel ist nach wie vor wichtig. Rund 30 Prozent des ETF-Volumens wird darüber abgewickelt. Hier stellen wir permanent Preise für alle Deka-Aktien-Produkte. So können Investoren auch über die Börsen reibungslos große Volumina abwickeln. Das ist vor allem für den Retail-Anleger vorteilhaft. Er kann sich auf enge Spreads verlassen. Aber ganz klar: Die großen institutionellen Adressen nutzen den OTC-Handel. Darauf entfallen 70 Prozent des Volumens. Auch dafür stellen wir auf Anfrage jederzeit Preise zur Verfügung.
Welche Tendenzen können Sie bei den Kundengruppen erkennen? Welche Rolle spielen Privatanleger?
Das Wachstum der ETFs ist ungebrochen, das Nettomittelaufkommen nimmt weiterhin zu. Privatanleger werden immer aktiver. Das spüren wir vor allem durch die vielen Anfragen von klassischen Vermögensverwaltern und Robo-Advisors, die eine digitale Vermögensverwaltung bieten.
Sind diese Robo-Advisors schon mehr als ein Nischengeschäft?
Zugestanden, zurzeit ist das noch eine Nische, aber das Geschäft mit den digitalen Vermögensverwaltern wächst stark. Die Vorteile für den Privatanleger für den langfristigen Vermögensaufbau liegen klar auf der Hand: Sie erhalten professionelles Management für recht günstige Preise.
Liquidität ist Trumpf. Die ist für Standardprodukte in der Regel kein Problem. Es gibt aber immer mehr ETF-Spezialitäten, oft auch als Smart Beta bezeichnet. Diese Fonds haben zumindest am Anfang ein sehr kleines Volumen. Macht Ihnen das Probleme?
Nein ganz und gar nicht. Selbst wenn Sie größere Summen bewegen wollen, bieten wir Ihnen auch für solche Spezialitäten einen angemessenen Preis. Unser ETF-Trading-Desk greift dabei auf die zugrunde liegende Liquidität des Aktienbaskets zurück. So können auch größere Transaktionen in Spezialprodukten ohne Probleme abgewickelt werden.
ETFs mit ESG-Kriterien waren also gesucht. Wir gehen davon aus, dass diese Bewegung mit neuen europäischen Regeln noch viel stärker wird.
Welche Trends haben Sie in diesem Jahr ausmachen können, abgesehen von den Standardprodukten, die ja immer laufen?
Zwei Trends waren deutlich zu spüren: Growth und Nachhaltigkeit. Die Pandemie hat bekanntlich Themen wie Virtualisierung und Digitalisierung stark gefördert. Dementsprechend waren wachstumsstarke Technologieaktien gefragt und Growth-ETFs waren die Renner. Daneben gewinnt das Thema nachhaltige Investments an Bedeutung, und das schon bevor die europäische Aufsicht, wie geplant, diesen Trend besonders fördert. Viele Kunden wollen Nachhaltigkeit, ob von institutioneller oder privater Seite. ETFs mit ESG-Kriterien waren also gesucht. Wir gehen davon aus, dass diese Bewegung mit neuen europäischen Regeln noch viel stärker wird.
In den letzten Wochen waren wieder typische Value-ETFs gefragt. Gehen Sie von einem Trendwechsel von Growth zu Value aus?
Eine spannende Frage. Unser Morgan Stanley Strategy Team erwartet in der Tat für 2021 eine Rotation von Growth zu Value. Wenn die Wirtschaft aus der Pandemie herauskommt, dann sollten traditionelle Sektoren wieder stärker gesucht werden. Die Erwartung ist, dass Value in diesem Jahr Growth outperformt.
Das Angebot an ETFs ist inzwischen sehr groß. Wie ist Ihre Erfahrung als Berater: Ist die Abbildungsqualität der Anbieter auf einem so hohen Niveau, dass Tracking Error und Tracking Difference keine allzu große Rolle bei der Auswahl mehr spielen?
Dazu kann ich nur sagen, dass die Anlageklasse ETFs inzwischen enorm professionell gemanagt wird. Der Kunde hat jederzeit hohe Transparenz, bei niedrigen und weiter sinkenden Kosten. Themen wie Tracking Error spielen deshalb keine allzu große Rolle mehr.
Erwarten Sie, dass die Gebühren noch weiter sinken können?
Der Kostendruck bleibt hoch. Ich gehe davon aus, dass auch die Standardprodukte in den nächsten Jahren noch etwas günstiger werden können. Bei den Spezialitäten sind die Gebühren oft ein wenig höher, aber auch hier geht der Trend klar nach unten. Ein Preiswettbewerb, welcher für den Anleger sehr erfreulich ist.
Der ETF-Markt hat ja 2020 neue Rekorde markiert. Kommt jetzt eine Konsolidierung? Oder gehen Sie weiter von starkem Wachstum aus?
Das hängt natürlich zum Teil auch davon ab, wie sich die Börsen generell entwickeln werden. Morgan Stanley bleibt konstruktiv. Wir erwarten, dass die großen Indizes in Europa, den USA und Japan auf Sicht von zwölf Monaten noch mal rund zehn Prozent zulegen können. Entsprechend werden sich auch die Flows der ETF-Märkte weiter erfreulich entwickeln. Wir stehen am Anfang eines neuen Bullenmarkt-Zyklus.