Interview
„Alle Frauen wollen ETFs“
Dr. Mechthild Upgang, Vorstand der Dr. Upgang AG, treibt seit vielen Jahren das Thema Anlageberatung für Frauen voran. Im Interview erläutert sie, was die besonderen Bedürfnisse der Frauen sind, welche Rolle dabei Indexfonds spielen und warum Nachhaltigkeit immer wichtiger wird.
Sie waren mit Ihrer Firma 1990 eine Pionierin der Anlageberatung für Frauen. Sind die heute immer noch die Zielgruppe?
Ja, das sind sie. Aber wir freuen uns auch über eine wachsende Anzahl männlicher Kunden, darunter viele junge Männer. Das sind dann meist die Söhne unserer Kundinnen, die wir offenbar gut beraten haben.
Was sind die besonderen Anlagebedürfnisse von Frauen, und warum ist es vorteilhaft, wenn sie wieder von Frau beraten werden?
Die Bedürfnisse ergeben sich aus anderen Erwerbsbiografien als die von Männern. Trotz der inzwischen erreichten sehr guten Qualifikation von Frauen, sind ihre Erwerbsbiografien in der Regel nicht-linear, oft bedingt durch Kindererziehung und Teilzeit. Dem muss die Anlageberatung Rechnung tragen. Beraterinnen, das haben wir in den dreißig Jahren immer wieder erfahren, können darauf sensibler reagieren. Die Kundinnen fühlen sich ernster genommen, als sie dies oft von männlichen Beratern erfahren haben. Das ist auch ganz klar die Erfahrung der FinanzFachFrauen, ein bundesweiter Zusammenschluss von ungebundenen Finanzberaterinnen. Wir wollen Frauen ermutigen, sich selbst um ihr Geld zu kümmern. So haben wir jetzt auch einen neuen Award ausgeschrieben: die Geldverbesserin 2021. Wir suchen Frauen, die zeigen, wie sie ihre finanzielle Unabhängigkeit erreichen können.
Wie entwickelt sich die Nachfrage zurzeit?
Ich zögere ein wenig, von einem Hype zu sprechen, aber was wir erleben, ist ein Hype. Der erinnert mich an die Jahrtausendwende, wo wir schon einmal einen Hype hatten. Damals wurden vor allem Aktien nachgefragt, oft vom Neuen Markt. Es bildeten sich viele Investmentclubs für Frauen, die gemeinsam anlegten. Heute ist der Boom anders geprägt: Die Nachfrage konzentriert sich auf ETFs. Alle Frauen wollen ETFs. Das ist zum großen Teil den niedrigen Zinsen geschuldet. Festgeld bringt keine Rendite mehr. So entdecken immer mehr Frauen ETFs. Trotz aller Vorteile dieser Indexfonds müssen wir aber im Beratungsgespräch oft klar machen, dass ETFs nicht das gleiche wie Festgeld sind. Es gibt nun mal die bekannten Risiken eines Aktien-ETFs. Mit denen muss man umgehen können.
Gibt es so etwas wie eine übergreifende Philosophie Ihrer Beratung und Vermögensverwaltung?
Ja, das ist das Thema Nachhaltigkeit. Frauen legen Wert auf Nachhaltigkeit, da Ihnen das Thema „Erhalt der Umwelt für die nachfolgenden Generationen“ am Herzen liegt. Wir setzen diese Anforderungen um, indem wir sowohl in den von uns aufgelegten FutureFolio Dachfonds als auch in den von uns verwalteten Strategiedepots ausschließlich Investmentfonds und ETFs einsetzen, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.
Gestalten Sie die Strategien alle mit ETFs? Oder wann nutzen Sie aktive Fonds?
Überwiegend setzen wir auf ETFs. Aber es gibt spezielle Themen, wie Wasser beispielsweise, in denen sich aktives Management bewährt. Dann greifen wir zu solchen Fonds, auch wenn die etwas teurer sind. Manchmal haben wir auch besonders hohe Ansprüche an die Nachhaltigkeitskriterien, die von einem ESG-gefilterten Standardprodukt nicht erfüllt werden.
Reicht Ihnen das Angebot der Nachhaltigkeits-ETFs in der Regel aus? Oder was fehlt Ihnen?
Das Angebot an ESG-Fonds für Basisinvestments ist schon ausreichend. Aber wir hätten gern mehr Fonds mit SRI – Social Responsibilty Investments. Da sind die Nachhaltigkeitsansprüche höher. Wir lieben auch Fonds, die explizit auf Nachhaltigkeitsthemen setzen, gern auch mit semi-aktiven Indizes. Da dürfte es mehr Innovationen in diesen Nischen geben. Zugestanden, solche Fonds haben in der Regel noch keine sehr breiten Indizes. Deshalb eignen sie sich zunächst auch nur als Beimischung.
Wie wählen Sie die ETFs im Einzelnen aus? Für bestimmte Märkte gibt es immer auch mehrere Anbieter.
Wir versuchen eine Art Weltportfolio zusammenzustellen. Das erste Kriterium ist immer die Auswahl von Indizes, ohne Klumpenrisiken einzugehen. Dann wählen wir grundsätzlich physisch replizierende Fonds. So können dann auch Versicherungsgesellschaften unsere Dachfonds ins Depot nehmen, was einige tun. Denen sind synthetische Produkte in der Regel verwehrt. Wir schauen auf die Kosten, aber wir wissen auch, dass für Fondsinnovationen zunächst höhere Gebühren anfallen. Wenn das Konzept überzeugt, zahlen wir das gerne. Schließlich ist die Liquidität wichtig. Deshalb sind, wie schon erwähnt, Fondsinnovationen mit kleinerem Volumen erstmal nur Beimischungen. Auch Faktorinvestments wie Value, Quality, Momentum nutzen wir, sofern sie nachhaltig ausgerichtet sind, was aber bisher noch die Ausnahme ist.
Das Jahr 2020 war bisher – gelinde gesagt – ziemlich herausfordernd. Wie gut haben Sie die Risiken gemeistert?
Wir sind ja alle soziale Wesen, die sich schnell von Nachrichten verrückt machen lassen. Ich halte es mit Odysseus, der sich Wachs in die Ohren träufeln ließ, um sich vor den Sirenen zu schützen. Deshalb sind wir Investoren der ruhigen Hand, die ihre Strategie auch durchhalten. Ständige Veränderungen der Anlageklassen bei jeder Marktbewegung, sind nicht unsere Sache. Aber natürlich schauen wir immer wieder nach, ob etwas an den Quoten verändert werden muss. Zudem werden die Depots je nach Marktentwicklung regelmäßig rebalanced. In diesem Jahr hat sich die ruhige Hand klar ausgezahlt, denn die Märkte haben sich sehr schnell wieder erholt. Wer da hektisch aus- und dann wieder einsteigen musste, konnte ganz schön danebenliegen.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Märkte und damit das Umfeld für Ihre Vermögensstrategien?
Ich bin verhalten optimistisch. Bisher haben die Märkte die Pandemie ganz gut weggesteckt, natürlich unterstützt durch die Geldschwemme der Notenbanken und die Hilfsprogramme der Regierungen. Ich gehe für längere Zeit weiterhin von niedrigen Zinsen aus. Aber wir müssen sehen, dass so manche Unternehmen im Nachgang zur Pandemie noch erhebliche Schwierigkeiten haben werden. Erleichtert bin ich über den Wahlausgang in den USA und hoffe, dass dort wieder mehr miteinander geredet wird. Auch ist meine Hoffnung etwas gestärkt, dass wir den Klimawandel besser meistern. Ich bin überzeugt, dass nachhaltige Investitionen dazu einen wichtigen Beitrag leisten.