Interview
„Mit ETFs dynamisch agieren“
Die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen setzt bei Sparplänen und Vermögensverwaltung auf Indexfonds. Michael Lutz, Leiter der Vermögensverwaltung im Bereich Private Banking, erläutert das Angebot für die Kunden.
Welche Rolle spielen ETFs bei Ihnen in der Kreissparkasse? Sind die nur etwas fürs Private Banking?
Nein, wir setzen ETFs im gesamten Kundengeschäft ein. Auch die Filialen greifen auf diese Produkte zu. Die Kunden können Sparpläne abschließen und Einmalanlagen tätigen. Vor allem das Sparplangeschäft wächst.
Wie groß ist das Angebot an ETF-Sparplänen?
In den Filialen bieten wir drei Sparpläne an. Im Private Banking sind die Bedürfnisse differenzierter. Hier können die Kunden unter mehr als 25 Sparplänen wählen.
Wann beginnen bei Ihnen das Private Banking und die Vermögensverwaltung?
Da müssen wir unterscheiden. Private Banking beginnt ab einem Anlagevolumen von 150.000 Euro. Die Vermögensverwaltung beginnt schon ab 100.000 Euro. Also können auch die Filialkunden diese nutzen, wenn ihr Volumen groß genug ist. Die meisten Vermögensverwaltungskunden kommen jedoch aus dem Private Banking.
Ihre Vermögensverwaltung ist standardisiert. Wie ist sie im Einzelnen organisiert?
Ja, unsere Vermögensverwaltung ist standardisiert, aber trotzdem individuell. Allerdings bieten wir sie nicht mit Einzeltiteln an, sondern nur mit Fonds. Dabei folgen wir nicht der üblichen Einteilung von Risikokategorien wie offensiv, ausgewogen oder defensiv. Wir bieten vier Fondshüllen, die jeweils Anlageklassen repräsentieren: Aktien, Aktien offensiv, Anleihen und alternative Investments. Der Kunde stellt sich dann mit Hilfe unserer Berater sein Risikoprofil zusammen. Er kann alle vier Fondshüllen kombinieren und bestimmt so seine gewünschte Aktienquote. Diese Art der Kombination erlaubt dem Kunden hohe Flexibilität. Insgesamt haben wir 350 Millionen Euro Assets under Management.
Wie hoch ist der Anteil der ETFs in dieser Fondsvermögensverwaltung? Und wie entscheiden Sie zwischen aktiven und passiven Fonds?
Wir nutzen fast ausschließlich ETFs. Nur wenn es für eine Anlagekategorie keinen geeigneten Indexfonds gibt, greifen wir zu einem aktiv gemanagten Fonds. Nach unserer Erfahrung decken Aktien-ETFs fast alle Bedürfnisse ab. Nur im Rentenbereich haben wir zurzeit einen aktiven Fonds im Portfolio.
Wie gestalten Sie Ihre Portfolios?
Wir streben in den Anlageklassen immer ein optimiertes Weltportfolio an. Dazu nutzen wir eine quantitative Strategie, die auf Minimum-Varianz und auf Maximum-Sharpe-Ratio aufbaut. Über die Aussichten der großen Anlageregionen entscheiden wir jedoch weiterhin diskretionär. Welche sehen gut aus, welche weniger gut. Innerhalb dieser Regionen optimieren wir nach den genannten quantitativen Kriterien.
Wie wählen Sie die ETFs aus? Es gibt für verschiedene Märkte immer mehrere Angebote.
Wir haben klare Auswahlkriterien definiert. Grundsätzlich bevorzugen wir physisch replizierende ETFs für unsere Investmentmärkte. Dann schauen wir auf die Kosten, auf Tracking Error und Tracking Difference. Auch das Volumen, die Handelbarkeit und die Spreads sind wichtige Stellgrößen.
Nutzen Sie nur Standardprodukte oder auch Themen-, Branchen- oder Strategie-ETFs, die als Smart Beta bezeichnet werden?
Überwiegend nutzen wir die Standardprodukte, da wir damit ja unsere eigene Strategie verfolgen. Auch Branchen- und Themenfonds spielen eine Rolle. Es gibt aber Ausnahmen in unserem Baustein der alternativen Investments. Dort verfolgen wir eine Faktorstrategie, die auf Merkmale wie Momentum, Value, Bilanzqualität oder Unternehmensgröße abstellt. Das ist dann Smart Beta.
Spielt Nachhaltigkeit eine Rolle? Es gibt ja immer mehr ETFs mit Nachhaltigkeitsfilter oder ETFs, die auf bestimmte Nachhaltigkeitstrends wie saubere Energie oder Klimawandel setzen.
Nachhaltigkeit ist auch bei uns ein großes Thema. Wir richten die Portfolios immer stärker auf Nachhaltigkeit aus. Aber da gibt es noch Grenzen. Da wir quantitativ steuern, kaufen wir auch immer wieder Märkte, für die es noch keine Nachhaltigkeits-ETFs gibt. Das ist bei den meisten Small-Cap-Märkten so, zum Beispiel beim SDAX. Wenn ein Kunde ausschließlich nachhaltig anlegen möchte, können wir ihm das zurzeit noch nicht bieten. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn das Angebot an nachhaltigen ETFs erweitert wird.
Aus der Art der Portfoliogestaltung ist zu schließen, dass Sie flexibel nach Marktentwicklung agieren. Wie sieht Ihre Risikosteuerung im Einzelnen aus?
In der Tat kommen wir mehr von der Risikoseite her als von einer statischen Anlageentscheidung. Unser Risikomanagementsystem hat drei Stufen. Die erste Stufe habe ich schon beschrieben, die Optimierung innerhalb der Bausteine nach Minimum-Varianz. Damit wären wir aber immer zu 100 Prozent investiert. Deshalb kommt die zweite Stufe zum Tragen. Wir nutzen gleitende Durchschnitte, um die wir jeweils einen Risikopuffer legen. Fällt ein Markt unter diesen Puffer, verkaufen wir. Steigt er darüber, investieren wir. Als dritte Stufe kommt schließlich ein Risiko-Overlay dazu. Wir haben immer ein Budget an Put-Optionen auf die Hauptmärkte. Das passen wir je nach Marktentwicklung an. Sind wir beispielweise in einem steigenden Markt weit von der 200-Tage-Linie entfernt, stocken wir die Put-Optionen sicherheitshalber auf.
Nun war dieses Jahr sehr anspruchsvoll. Im März stürzten die Märkte, die gleitenden Durchschnitte wurden also alle gerissen, nur um sich dann wieder sehr schnell zu erholen. Wie haben Sie agiert?
Das Jahr war bisher in der Tat sehr herausfordernd. Im Prinzip ist unsere Strategie langfristig angelegt, aber wir mussten nach unseren eigenen Kriterien kurzfristig reagieren. Zunächst hatten wir unser Put-Optionen-Budget Anfang des Jahres, als die Märkte noch sehr gut liefen, kräftig aufgestockt. Als dann der Sturz kam, haben wir unsere Nettoinvestitionsquote deutlich gesenkt, bis auf nur noch zwölf Prozent im Tief. Die Verluste wurden aber zu einem großen Teil durch die Put-Erträge kompensiert, die wir auch realisiert haben. Danach stiegen die Märkte wieder. Wir sind den gleitenden Durchschnitten und den Märkten – mit einer gewissen, systemimmanenten Verzögerung – gefolgt. Heute können wir sagen, dass das ganz gut geklappt hat. Wir sind weitgehend ausgeglichen und liegen sogar knapp vor dem MSCI World.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung von ETFs in der Kreissparkasse?
Ich gehe davon aus, dass ETFs eine Erfolgsgeschichte bleiben und weiter stark wachsen werden. Unsere Erfahrungen mit diesen Produkten sind gut, gerade auch in der Krise. Wir konnten sie immer handeln und so dynamisch je nach Marktsituation agieren. Ein Vorteil, der unseren Kunden zugutekommt, sind dabei auch vergleichsweise niedrige Kosten. Wenn jetzt, wie schon gesagt, noch weitere Märkte mit nachhaltigen Fonds abgedeckt werden, können wir dem wachsenden Bedürfnis der Kunden nach solchen Strategien noch besser entsprechen.