Interview
„Nachhaltigkeit möglichst breit streuen“
Die Grüne Welt GmbH konzipiert Anlagelösungen mit Nachhaltigkeitsanspruch. Dr. Stefan Klotz, Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter, erläutert, welche Rolle dabei ETFs spielen.
Was ist Nachhaltigkeit bei der Geldanlage? Eine Glückspille fürs Gewissen?
Es ist mehr. Nachhaltigkeit sollte nicht einfach ein gutes Gewissen fördern. Für uns ist Nachhaltigkeit der Ausdruck dafür, dass sich ein Investor für sein Tun verantwortlich fühlt. Er sollte nicht nur auf den Ertrag für sein Depot schauen, sondern die ökonomischen und sozialen Wirkungen seiner Investition berücksichtigen. Dass dies wichtig ist, erkennen zum Glück immer mehr Anleger.
Die Frage ist natürlich, wie so etwas umgesetzt wird. An Nachhaltigkeitskriterien gibt es inzwischen keinen Mangel.
Ja, in der Tat, darüber gibt es schon wahre Glaubensdiskussionen. Aus unserer Sicht geht es zunächst um Abwägungen ethischer Natur, und in ethischen Fragen gibt es kein objektiv richtig oder falsch. Ein Investmentprozess ist dann nachhaltig, wenn er von Verantwortungsbewusstsein für Umwelt und Gesellschaft getragen ist. Das kann sich in den bekannten Ausschlusskriterien zeigen. Das können die ESG-Ansätze sein, also Faktoren wie Environment, Social und Governance, die nach unserer Erfahrung zusammen mit Best-in-Class-Ansätzen positive Wirkungen entfalten. Im Kommen sind auch sogenannte Impact-Ansätze, also zum Beispiel Green Bonds, die unmittelbar Umweltprojekte finanzieren. Wir unterstützen jeden sinnvollen Ansatz, zumal man alles auch miteinander kombinieren kann.
Hat die Finanzbranche schon angemessen reagiert? Wir wissen ja, dass die EU diesen Prozess mit einer eigenen Taxonomie vorantreiben will.
Mit „angemessen“ tue ich mich ein bisschen schwer, weil wir alle, schon allein angesichts der Klimakrise, immer noch mehr tun können und müssen. Aber halten wir fest: Vor sieben Jahren war Nachhaltigkeit ein Nischenthema. Jetzt ist dies Mainstream. Die Finanzbranche hat sich dieses Themas angenommen und liefert eine Fülle neuer Lösungen. Diese Bewegung hat Schwung. Die kommende Regulierung, von der die EU-Taxonomie nur ein Teil ist, verstärkt diesen Schwung nochmals, gefährdet durch ihren zwanghaften Charakter aber auch manche Früchte des bisher freiwilligen Engagements.
Wer sind Ihre Kunden? Was sind deren Motive?
Die Kunden der Grüne Welt GmbH sind nicht direkt private Anleger, sondern professionelle Anleger und Finanzdienstleister. Denen bieten wir unabhängige Beratung sowie die Konzeption nachhaltiger und regelbasierter Finanzstrategien mit ETF-Produkten. Zum Beispiel haben wir eine erste Produktserie für den Finanzdienstleister „fondsprofis“ entwickelt. Das sind die „Grüne Welt Strategie 50“ und die „Grüne Welt Strategie 100“, zwei nachhaltige Fondsvermögensverwaltungen mit ETFs, die sich durch die Aktienquote unterscheiden. Die Motivation dazu geht von den privaten Kunden der „fondsprofis“-Vertriebspartner aus, und diese Motivation beruht auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens, dass Nachhaltigkeit bei der Geldanlage wichtig ist. Auch Stiftungen, die nachhaltiger anlegen wollen, bieten wir unsere Beratungsleistungen an.
Wenn Sie Portfolio-Lösungen gestalten, dann müssen Sie sich außer mit Nachhaltigkeit auch mit Rendite und Risiko befassen. Wie wägen Sie ab?
Zunächst ist wichtig, was unser Auftraggeber will. Daran orientieren wir uns. Was wir von unserer Seite einbringen: Die Überzeugung, dass langfristiges Investieren der Königsweg ist. Kurzfristige Trading-Strategien überzeugen uns nicht. Mit Blick auf die Renditeziele müssen wir uns im aktuellen Umfeld überwiegend mit Aktien befassen. Die stehen an erster Stelle. Anleihen mit Investmentgrade nehmen wir nur dazu, um die Schwankungsbreite und den Draw-down zu begrenzen.
Zwischen Nachhaltigkeitsansatz und Diversifikation kann es einen Zielkonflikt geben. Wir bevorzugen zielgerichtete Nachhaltigkeit mit breiter Streuung.
Bieten Sie auch aktives Risikomanagement? Oder bauen Sie auf möglichst breite Diversifikation und stabile Portfolios?
Wir bieten beides, je nach Präferenz der Kunden. Diversifikation ist für uns das A und O. Wir tun alles, um die Portfolios so breit wie möglich aufzustellen. Dazu folgen wir regelgebundenen Ansätzen und vermeiden diskretionäre Entscheidungen. Die empirische Kapitalmarktforschung zeigt uns, dass dieser Ansatz mit langfristig bewährten Regeln das beste Rendite-Risiko-Ergebnis erbringt. Auch raten wir dazu, möglichst wenige Transaktionen durchzuführen, weil diese meist nicht erfolgsträchtig sind. Natürlich bieten wir aber auch, wenn gewünscht, verschiedene bewährte Varianten von aktivem Risikomanagement an. Typisch für uns ist unser Schutzschirmmechanismus, eine Art quantitatives Warnsystem, das auf der Analyse von Konjunktur- und Sentimentdaten aufbaut. Nur wenn dies Alarm schlägt, empfiehlt es sich, das Aktienrisiko zu reduzieren.
Nun zur Auswahl von ETFs. Da geht es zunächst darum, ob der Index genügend Nachhaltigkeit bietet.
Bei der Nachhaltigkeitsanalyse des Index steigen wir tief ein. Wir schauen uns die Ausschlusskriterien an und wie das Best-in-Class-Verfahren geregelt ist. Unser Ziel ist es, für eine bestimmte Region den nachhaltigsten Index zu finden. Wir wollen einen möglichst breiten Index. Das können durchaus gefilterte Standardindizes sein, zum Beispiel der STOXX Europe 600 oder der MSCI Europe. Entscheidend ist, wie viele Werte nach der Nachhaltigkeitsfilterung übrigbleiben. Wenn das 100 und mehr Aktien sind, dann fühlen wir uns wohl. Damit haben wir eine ausreichende Diversifikation, und auch die Branchengewichtung ist einigermaßen neutral. So etwas eignet sich für ein Basisinvestment. Da gibt es keine Ausschläge, die einem graue Haare wachsen lassen.
Zunehmend gibt es auch Themenfonds zur Nachhaltigkeit, zum Beispiel neue Energien. Was halten Sie davon?
So etwas empfehlen wir nur zur Abrundung eines Portfolios, nicht als Basisinvestment. Da muss man genau aufpassen, dass es keine Klumpenrisiken gibt. Ein enges Thema oder eine bestimmte Branche können schnell mal unter Druck geraten. Nehmen Sie nur die Windenergie als Beispiel. Auch Konzepte, die auf die nachhaltigsten Unternehmen einer Region setzen, betrachten wir mit Vorsicht, sofern die Anzahl der Aktien nach unseren Grundsätzen zu eng und die Branchengewichtung zu konzentriert sind. Um es ganz klar zu sagen: Zwischen Nachhaltigkeitsansatz und Diversifikation kann es einen Zielkonflikt geben. Wir bevorzugen zielgerichtete Nachhaltigkeit mit breiter Streuung. Und letzteres nicht nur aus finanzorientierten Gründen: Fokussieren sich Investoren mit einem dunkelgrünen Ansatz zu eng, geht der Anreiz für jene Unternehmen verloren, die auch in punkto Nachhaltigkeit zu den Besten ihrer Klasse gehören wollen. Im Ergebnis schwächt dies die Wirkung nachhaltigen Investierens, statt sie zu stärken.
Wie gehen Sie bei der Auswahl mit den üblichen Kennziffern von ETFs um?
Die wichtigsten betreffen Kosten, wobei wir nicht nur auf die ausgewiesene Gesamtkostenkostenquote achten, sondern auch auf die Kosten bei An- und Verkauf. Eine zu breite Geld-Brief-Spanne kann die Rendite schnell zerstören. Wichtig ist auch die Liquidität, die sich vor allem aus dem Volumen eines ETFs ableitet. Was Tracking Error und Tracking Difference betreffen, da ist die Branche inzwischen erwachsen geworden. Nach unserer Erfahrung halten sich jene Performance-Abweichungen, die aus den bekannten Parametern nicht zu erwarten sind, bei den meisten ETFs in engen Grenzen. Nur bei manchen Themen-ETFs muss man noch genau nachrecherchieren.
Wie fällt denn der Renditevergleich zwischen ESG- und Standardindizes aus? Sind die ESG-Renditen höher oder zumindest gleich den Standardprodukten?
Zumindest gleich, das würde ich sofort unterschreiben. Es hat uns jahrelang der Vorwurf begleitet, dass nachhaltiges Investieren so etwas wie Spenden sei, da müsse man halt auf Rendite verzichten. Diese Behauptung hören wir kaum noch, und in der aktuellen Krise ist zum Beispiel der MSCI World mit ESG-Kriterien besser als der Standardindex gelaufen. Man kann auf jeden Fall sagen, dass bei gleicher Ertragserwartung das Risiko bei den Best-in-Class-Ansätzen tendenziell geringer ist, also entsprechende ETFs oft weniger ausgeprägte Schwankungen und Draw-downs aufweisen. Ich bin überzeugt, dass man renditetechnisch mit Nachhaltigkeit nichts falsch macht, eher im Gegenteil. Allerdings gibt es am Finanzmarkt keine Wundertüten, und das gilt auch für die nachhaltigen Produkte.
Wie haben Ihre Strategien bisher die Corona-Krise überstanden?
Wir sind zufrieden und haben auch positive Rückmeldungen von den Kunden bekommen. Besonders erfreulich war, dass wir im März mit den ETFs, auch den nachhaltigen, gut handeln konnten. ETFs waren teilweise sogar liquider als die Underlyings. So konnten wir in diesen heißen Tagen das Rebalancing unserer Grüne-Welt-Strategien anstandslos zu fairen Preisen durchführen. Wie schon gesagt, der MSCI World mit ESG-Kriterien lief in der Krise besser als der Standardindex. Anders sah es beim MSCI Emerging Markets aus. China hat diesen Schwellenländerindex stark gezogen, und chinesische Aktien sind in den Nachhaltigkeitsindizes aktuell unterrepräsentiert.
Reicht das Universum nach Nachhaltigkeitsfonds schon aus oder was hätten Sie noch gerne mehr? Und wie sehen Sie die weitere Entwicklung?
Also das Angebot ist schon wirklich weitreichend, vor allem, was die globale Abbildung von Aktienmärkten betrifft. Bei Small Caps ist das Angebot noch sehr übersichtlich. Der Anleihebereich ist ebenfalls ausbaufähig. Wir haben zum Beispiel genügend Green Bonds, doch schaut man sich das ETF-Angebot an, da gibt es Lücken. Zum Beispiel hätten wir gerne einen Fonds, der die Qualität der Green-Bond-Emittenten mit einer Währungsabsicherung kombiniert. Die neue EU-Taxonomie, die jetzt schrittweise eingeführt wird, sollte nachhaltiges Investieren generell weiter fördern. Allerdings haben wir da auch eine Sorge. Die EU-Taxonomie definiert Nachhaltigkeit überwiegend über wenige Umweltziele. Das ist uns zu eng. Dadurch könnten Faktoren wie gute Unternehmensführung und soziale Kriterien ins Hintertreffen geraten. Die Gefahr besteht, dass zu viele Best-in-Class-Unternehmen vernachlässigt werden.
Besonders erfreulich war, dass wir im März – trotz Corona-Krise – mit den ETFs, auch den nachhaltigen, gut handeln konnten.