Interview
„Immer das Beste aus beiden Welten“
Die Focam AG, ein Multi Family Office und eine Vermögensverwaltung aus Frankfurt, bevorzugt eine Mischung aus aktivem und passivem Management. Reiner Konrad, Senior Portfoliomanager, erläutert den Einsatz von ETFs.
Vermögensverwaltungen gibt es viele. Was können die Kunden bei Focam erwarten?
Vor allem Unabhängigkeit. Das ist uns sehr wichtig. Wir sind ausschließlich dem Kunden verpflichtet. In einer Bank, wo ich selber viele Jahre gearbeitet habe, gibt es oft Interessenkonflikte. Wir sitzen, salopp gesagt, auf der gleichen Seite wie der Kunde, arbeiten für ihn und mit ihm und versuchen, die für ihn beste Lösung zu entwickeln. Dabei verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Der ergibt sich schon aus unserer Tradition als Family Office.
Bestimmt diese Tradition auch ihre Anlagephilosophie, also konservativ auf Substanzerhaltung ausgerichtet?
Die klassischen Kunden in einem Family Office sind ja in der Regel Unternehmer, deren Familienvermögen umfassend betreut werden soll. Oder sie haben ein Unternehmen verkauft und möchten den Erlös gewinnbringend anlegen. Focam wurde ja selbst von Unternehmern gegründet. Wir sprechen also die gleiche Sprache. Klar, Kapitalerhalt ist wichtig und steht im Vordergrund. Aber es muss auch eine angemessene Rendite erwirtschaftet werden. Da gibt es ganz unterschiedliche Risikoprofile, je nachdem wie die Familie denkt. Wir wollen vor allem große Draw-downs vermeiden und auch manche Dummheiten.
Was sind denn das für Dummheiten?
Wir verfolgen eine Gesamtstrategie für den Kunden, schauen uns genau das Gesamtvermögen an, klären die Bedürfnisse und die daraus abgeleitete Liquidität und entwickeln daraus seine strategische Asset Allocation. Wir wollen zum Beispiel vermeiden, dass das Vermögen zu einseitig aufgestellt ist. Oder nur, weil es sich gut anhört, in irgendwelche angebotenen Anlageprodukte investiert wird. So etwas kann sich schnell als Luftblase erweisen. Wir prüfen die Anlagekonzepte genau, hinterfragen, ob die Lösungen plausibel erscheinen und sich rechnen.
Dazu müssen Sie auch die Märkte meistern. Wie kommen Sie zu ihrer Marktmeinung und wie stimmen Sie die mit den Erwartungen der Kunden ab?
Focam hat einen eigenen Chief Investment Officer und ein Investmentkomitee, in dem unser Weltbild und die daraus resultierende Marktmeinung diskutiert und formuliert wird. Darauf aufbauend gleichen wir dies mit den Bedürfnissen des Kunden ab und modellieren ihm sein maßgeschneidertes Portfolio. Dieses kann Einzeltitel und / oder auch Spezial- oder Publikumfonds enthalten, je nachdem was für ein bestimmtes Vermögensvolumen sinnvoll ist oder der Kunde möchte.
Wenn Sie Fondslösungen anbieten, können sie aktives Management oder passive Instrumente wie ETFs kaufen. Wann entscheiden Sie sich für ETFs?
Wir sind überzeugt, dass in der Regel eine kluge Mischung aus aktivem und passivem Management das Beste ist. ETFs setzen wir vor allem in drei Fällen ein: Erstens, wenn wir taktisch ganz schnell in einen Markt hineinwollen. Zweitens, wenn wir für einen Kunden einen aktiven Manager suchen, aber für die Übergangsphase schon in einem Markt investiert sein möchten. Und drittens, wenn wir der Meinung sind, dass aktives Management keinen Mehrwert bietet. Das dürfte oft in sogenannten effizienten Märkten der Fall sein. Also einen breiten Markt wie den S&P 500 würden wir in der Regel als ETF kaufen. Bei Nebenwerten kann das ganz anders aussehen. Da gibt es oft aktive Manager, die einen klaren Mehrwert erwirtschaften. Soweit die Aktienseite. Auch auf der Anleiheseite nehmen wir inzwischen ETFs ins Visier. Wenn wir für unsere Allokation ein spezielles Bondexposure brauchen, dann ist angesichts des extrem niedrigen Zinsenniveaus oft ein ETF die kostengünstigste Lösung.
Nutzen Sie auch Smart-Beta-Lösungen, also Strategie-ETFs?
Die schauen wir uns an, und das Angebot in diesem Segment ist ja inzwischen ziemlich breit. Wenn eine Strategie dabei ist, die uns interessant erscheint, dann investieren wir durchaus auch dort.
Es gibt ja auch eine große Anzahl von Branchen- und Themenfonds. Auch die sollten für Sie von Interesse sein?
Das sind sie auch. Wenn wir im Rahmen unserer Anlageausschusssitzungen auf Themen wie zum Beispiel Global Water, KI oder Automation & Robotics kommen und es keine überzeugenden aktiven Manager gibt, sind ETFs die Anlagealternativen. Der Vorteil ist auch, dass diese Instrumente sehr transparent sind. Man weiß ziemlich genau, was man eigentlich bekommt.
Bieten Sie denn auch eine reine ETF-Vermögensverwaltung an?
Nein, wir bevorzugen immer eine Mischung, sozusagen das Beste aus beiden Welten.
Wie stark verfolgen Sie Nachhaltigkeitskonzepte? Die passen ja eigentlich gut zu einem Family Office.
Nach unserem Eindruck gibt es noch keine einheitlichen Kriterien für nachhaltiges Investieren, aber klar, es gibt eine Nachfrage bei uns. Allerdings hält die sich noch in Grenzen. Früher herrschte die Meinung vor, dass durch nachhaltiges Investieren eine schlechtere Wertentwicklung entsteht. Nach den neuesten Studien hat sich das inzwischen geändert. Nachhaltigkeit kann, beziehungsweise wird meiner Meinung nach ziemlich sicher sogar langfristig von Vorteil sein. Wir müssen im Verlauf des nächsten Jahres startend, die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden im Rahmen des Beratungsprozesses explizit erfragen. Dann dürfte die Nachfrage nochmals deutlich zunehmen.
Wie wählen Sie ETFs aus?
Ausgehend von der Entscheidung, in welchem Markt wir investieren wollen, schauen wir uns an, welche Indizes es zur Abbildung dafür gibt und welche ETF-Anbieter diese Märkte abbilden. Grundsätzlich bevorzugen wir die physische Replikation. Wir schauen uns an, wie genau der ETF den Markt abbildet. Dann interessieren uns die Kosten, wobei uns die Gesamtkosten, also inklusive Handelskosten bei Kauf und Verkauf, interessieren. Wir schauen auf die Marktliquidität, wir prüfen, wieviel Market Maker es gibt, und wie die Qualität der Preisanfrage beziehungsweise Preisstellung ist.
Haben Sie den Eindruck, dass die Unterschiede zwischen den Anbietern inzwischen so gering sind, so dass es ziemlich egal ist, welchen ETF man wählt?
Nein, man muss sich die Anbieter schon genau anschauen. Es gibt ja seit einiger Zeit schon einen heftigen Preiskampf, was im ersten Moment ja zwar gut für uns als Nachfrager ist, man sich aber längerfristig die Frage stellen muss, ob die Qualität und der Service nicht drunter leiden. Auch ist der Blick auf Abbildungsqualität und Performancedifferenz außerordentlich wichtig.
Wie werden sich ETFs als Instrumente in ihrer Vermögensverwaltung weiterentwickeln?
Ich gehe davon aus, dass deren Bedeutung zunehmen wird, einfach weil die Märkte schneller und transparenter werden und es für aktive Manager schwieriger wird, einen Mehrwert zu generieren. Aber ich bin davon überzeugt, dass es immer beide Ansätze – aktiv und passiv – geben wird. Unsere Aufgabe ist es weiterhin, die passenden Bausteine für unsere Kunden zu finden.