Interview mit Ulrich Jungbauer |
„Schnelle Anpassung mit ETFs“

Ulrich Jungbauer ist Head of Portfoliomanagement bei der HanseMerkur Trust AG. Er erläutert, welche Rolle ETFs für die Versicherungsgruppe HanseMerkur und für externe Mandate spielen.

Welche Aufgaben nimmt die HanseMerkur Trust für die gleichnamige Versicherungsgruppe wahr und was ist das Leistungsspektrum?

Wir sind eine hundertprozentige Tochter der HanseMerkur-Gruppe und betreuen über 12 Milliarden Euro überwiegend in deutschen Spezial- und Publikumsfonds. Davon entfallen zehn Milliarden Euro auf die HanseMerkur, zwei Milliarden sind in Spezialfonds für institutionell Investierende sowie in Publikumsfonds investiert. Unsere externen Kundinnen und Kunden sind andere Versicherungen, Altersvorsorgeeinrichtungen, kirchlich Investierende oder Stiftungen. Als mittelgroßer Assetmanager sind wir immer noch sehr schlank aufgestellt und dadurch hochflexibel.

Das Leistungsspektrum umfasst vor allem liquide Anlageklassen. Aber es gibt bei uns auch ein Team, das alternative Anlagen in Private Equity und Private Debt betreut. Immobilien werden von unserer Schwestergesellschaft, der HanseMerkur Grundvermögen, verwaltet. Auf diese Expertise greifen wir im Falle eines Mandats zurück, das eine Immobilienquote fordert. Leitlinie für externe Kundinnen und Kunden ist, dass wir im Prinzip nur in das investieren, was auch in der HanseMerkur-Gruppe investiert ist.

Gibt es für Sie so etwas wie eine übergeordnete Anlagephilosophie?

Unser Investmentansatz, den wir in unserer Unternehmensphilosophie verankert haben, ist auf die Erwirtschaftung einer Zielrendite über dem Geldmarkt hinaus ausgerichtet, verbunden mit dem Schutz des Vermögens, wie er für Versicherungen gefordert ist. Kurzgefasst: Es geht um Absolute-Return- und Wertsicherungsstrategien. Wir wollen große Drawdowns vermeiden. Die verschiedenen Strategien, die wir anbieten, setzen in der Regel auf Diversifikation verschiedener Anlageklassen, die damit eine implizite Absicherung bieten. Es gibt aber auch explizite Wertsicherungskonzepte, die ein klares Ziel haben, zum Beispiel nicht mehr als fünf Prozent im Jahr zu verlieren.

Wie halten Sie es mit der Nachhaltigkeit?

Wir sind zwar nicht der klassische Öko-Pionier, aber wir haben in den letzten Jahren unsere Konzepte zur Integration von Nachhaltigkeit in die Vermögensanlage kontinuierlich weiterentwickelt. Häufig stehen wir mit unseren Kundinnen und Kunden im Dialog zur Entwicklung ihrer individuellen Nachhaltigkeitsziele und deren Implementierung. Je nach Mandat beraten wir und entwickeln entsprechende Portfoliolösungen. Die sind zum Beispiel bei einer kirchlichen Einrichtung sehr viel strenger als bei einem Industrieunternehmen. Aber auch denen können wir Portfoliolösungen bieten, die zum Beispiel zu einer deutlichen CO2-Reduzierung führen. Unser größter Kunde, die Konzernmutter HanseMerkur, hat sich das Ziel gesetzt bis 2029 die CO2-Emissionen um 50 Prozent zu reduzieren und bis 2050 sogar die Null zu erreichen. Das verankern wir auch in den ESG-Strategien der Kapitalanlagen.

Wie global sind Ihre Strategien ausgerichtet und wie nutzen Sie die Anlageklassen überwiegend?

Natürlich agieren wir global, präferieren aber eine Ausrichtung auf den Euro. Wir haben zum Beispiel Microsoft-Unternehmensanleihen in den Portfolios, aber eben als Euro-denominierte Variante. Bei der Anlageklasse Aktien setzen wir auf Einzeltitel und auch Indexkonzepte. Wir nutzen Faktorstrategien wie auch Themeninvestments. Bei den Anleihen liegt unser Fokus klar auf Staatsanleihen und Unternehmensanleihen, abgerundet durch Pfandbriefe. Wir haben auch Cash wieder als Anlageklasse im Blick, die durch die Zinsentwicklung wieder attraktiv geworden ist. Gold zur Diversifikation spielt eine Rolle, aber nicht physisch, sondern als ETCs. Was wie gewichtet wird, hängt immer von den individuellen Anforderungen der Portfolios ab.

Welche Rolle spielen ETFs in diesem Universum?

Das ist vielschichtig. Am klarsten ist es bei unseren Dachfonds und im Bereich der fondsgebundenen Lebensversicherungen. Hier beträgt der Anteil von ETFs bis zu achtzig Prozent. Bei Spezialfondsmandaten können wir bei strikten Nachhaltigkeitskriterien oft keine ETFs finden, welche exakt die individuell gestalteten ESG Kriterien erfüllen. Das gleiche gilt für Faktorstrategien. Über die Direktanlage der HanseMerkur entscheidet ein Investmentkomitee. Bei Aktien kommen ETFs ins Spiel, wenn es um schnelle Anpassungen und kurzfristige Chancen geht. Bei den Anleihen sind die Volumina so groß, dass wir überwiegend auf Einzelinvestments setzen.

Wie wählen Sie die ETFs aus? Es gibt ja meist mehrere Anbieter und Indexkonzepte, unterschiedliche Volumina, Kosten oder Replikationsmethoden.

Das Volumen ist natürlich wichtig. Wenn wir zwei ETFs haben, die weitgehend identisch sind, würden wir immer den mit dem höheren Volumen vorziehen. Aber wir haben keine generelle Mindestgrenzen. Wir würden auch mal ein neues Produkt kaufen, dessen Konzept uns gefällt, das aber noch nicht das große Volumen vorweisen kann. Bei Faktor-ETFs prüfen wir die Methodologie genau. Es gibt ja zum Beispiel viele Value-ETFs, die sich in der Zusammensetzung unterscheiden. Da stellt sich immer die Frage, was wirklich Value ist. Dazu führen wir unsere eigenen Berechnungen durch. Natürlich sind Kosten und Abbildungsqualität wichtig. Bei zwei gleichen Fonds, aber mit unterschiedlicher Replikationsmethode, würden wir immer die physische Variante vorziehen. Gleichwohl gibt es Strategien, die nur synthetisch darstellbar sind. Wenn die für uns passen, nutzen wir auch synthetische Lösungen.

Das Angebot ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Fehlen Ihnen noch ETFs?

In der Tat gibt es immer mal wieder Situationen, vor allem taktische, für die wir keine ETFs finden. Vor einiger Zeit fanden wir zum Beispiel Silberproduzenten spannend, die es zum damaligen Zeitpunkt aber nicht als ETFs gab. Bei Anleihen hätten wir gerne beispielsweise ETFs mit einer speziellen Quality-Komponente, die sich vom üblichen Rating absetzen oder es ergänzen. Salopp gesagt: dreifach B, aber mit Quality-Elementen. Interessant fänden wir auch Angebote zu Low Volatility beziehungsweise Low Beta Anleihen ETFs. Aktuell sprechen wir mit Anbietern über mögliche neue Themen ETFs, die wir für uns und andere Investoren für attraktiv erachten, aber aktuell nicht verfügbar sind. Weitere Informationen hierzu wird es im nächsten halben Jahr geben.

Noch mal genauer zum Risikomanagement, das ja für ihre Strategien, die eingangs erwähnt wurden, essenziell sind. Wie gehen Sie vor?

Das ist sehr kundenindividuell. Nehmen wir den Fall eines Kunden, der das Ziel einer Preisuntergrenze bezogen auf den Jahresultimo vorgibt. Da kombinieren wir Absolute-Return-Strategien, die möglichst wenig miteinander korrelieren, und fügen noch einen Tail-Hedge hinzu, um gegen Extremrisiken wie beispielsweise den Ukraine-Krieg gewappnet zu sein. Ohne feste Wertuntergrenze verzichten wir aus Kostengründen auf das Tail-Hedging und agieren mit Diversifikation von unkorrelierten Einzelrisikoprämien. Wir können auch weitgehend marktneutrale Faktorstrategien aufsetzen. Wir haben zum Beispiel einen Publikumsfonds, der zeitweise bis zu 25 unterschiedliche Faktorprämien-Strategien im Portfolio hatte und solche Extremrisiken wie den Ukraine-Krieg ziemlich robust überstehen konnte.

Wie sind Sie dann insgesamt über die letzten Jahre, vor allem über 2022 hinweggekommen, als Aktien- und Rentenmärkte kräftig gefallen sind?

Wir konnten unsere Preisuntergrenzen 2022 bis auf wenige Ausnahmen halten. Als der extreme Abverkauf aller Assetklassen einsetzte, haben wir in Einzelfällen Untergrenzen unterschritten. Hierbei waren wir aber stets im engen Austausch mit den Investierenden, um deren Risikotragfähigkeit bei unseren Sicherungsmaßnahmen zu berücksichtigen. In nahezu allen Fällen konnten wir die Unterschreitungen aber allein über Cashpositionen bis zum Jahresende wieder aufholen. Auch Immobilien und Private Debt haben in diesem Jahr für Stabilität in den Portfolios gesorgt.

Wie geht es in den nächsten Monaten weiter? Auf welche Parameter muss man besonders achten?

Wir denken, dass der Zinsgipfel nahe ist, auch wenn kurzfristig nichts für ein deutlich geringeres Zinsniveau spricht. Wegen der inversen Zinsstrukturkurve halten wir derzeit vor allem kurze und mittlere Laufzeiten, mischen aber durchaus schon längere bei. Die Spreads in osteuropäischen Ländern halten wir wegen der hohen Risikoaufschläge für interessant. Bei Unternehmensanleihen präferieren wir klar die kürzeren Laufzeiten, falls es doch – entgegen unseren Erwartungen – zu einer stärkeren konjunkturellen Abschwächung kommt. Erst wenn der Zinsgipfel tatsächlich erreicht ist, dürfte die Anlagesituation wieder deutlich günstiger werden. Für den Aktienmarkt gehen wir aktuell von unruhigen Wochen aus – zum Jahresende erwarten wir höhere Indexstände.

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